Immobilien-Marktreport Frankfurt 2019
Brexit hin, Bestellerprinzip her – Langeweile sieht anders aus. In Frankfurt ist unvermindert Druck auf dem Kessel, was vielerorts immer noch zu Preissteigerungen geführt hat. Ob das so bleibt, will niemand genau prognostizieren. Eine Bestandsaufnahme

Frankfurt kämpft an vielen Fronten
Den Boom im Rücken, den Brexit vor Augen und die Barley im Nacken – Frankfurts Immobilienprofis haben aktuell an vielen Fronten zu tun. Da passt ein chinesisches Sprichwort, das sinngemäß lautet: Mögest du in spannenden Zeiten leben.
Und spannend ist der Immobilienmarkt am Main allemal. Das sieht man bereits auf den ersten Blick.
Der Boom: Nahezu überall in der Stadt recken sich Baukräne gen Himmel. Allein vier neue Hochhäuser werden in diesem Jahr die Skyline Mainhattans erweitern. Aussagekräftig ist auch der Blick auf die Zahlen: Ob Neubau-Eigentumswohnungen oder Bodenrichtwerte – die Preise stiegen auch im Verlauf des vergangenen Jahres wieder deutlich an.
Mit Prognosen für das aktuelle Jahr ist man hingegen vorsichtig. Das liegt nicht zuletzt auch an zwei Szenarien, deren Resultat niemand exakt vorhersehen kann und deren Auswirkungen ebenso schwer einzuschätzen sind.

Keiner kennt die Folgen des Brexit
Szenario Nummer eins: der Brexit: Ob hart und ohne EU-Abkommen oder auch gar nicht nach einem möglichen zweiten Referendum – wetten würde kaum jemand auf den Ausgang des britischen Austritts aus der Europäischen Union.
Überaus uneinheitlich sind allerdings die Einschätzungen der Experten in Frankfurt nicht nur, was künftige Folgen des Brexits auf den Immobilienmarkt angeht. Auch die bisherigen Auswirkungen nehmen die Makler sehr unterschiedlich wahr. Das reicht von „faktisch keinerlei Auswirkungen“ bis zu „großes Interesse seitens derer, die London verlassen und (zurück) nach Frankfurt kommen“.
Womöglich liegt die Wahrheit wie so oft irgendwo in der Mitte…

Immer mehr Alternativen
Ähnlich wie in anderen Großstädten ist das Angebot in den begehrten Citylagen knapp. Ausweichquartiere ziehen daher preislich weiter nach
Bestellerprinzip auch beim Verkauf?
Szenario Nummer zwei: die Barley. Wem das nicht sofort etwas sagt, hier geht es um Justizministerin Katarina Barley, die mit ihrem Vorschlag, das Bestellerprinzip, welches im Segment der Vermietung bereits eingeführt wurde, auch beim Immobilienkauf zu installieren, in der Branche große Aufregung ausgelöst hat.
Gepaart mit der populistisch wirksamen Aussage, zudem eine extreme Reduzierung der Maklercourtage umzusetzen, drückt es derzeit die Stimmung in der Maklerschaft. Das Volk hingegen jubelt, auch wenn der Vorschlag definitiv nicht das erzielen wird, was alle wollen und was dringend nötig ist: bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber das ist ein anderes Thema.
Ob und wie der Vorstoß in dieser Sache auch umgesetzt wird, aktuell führt er nur zu Verunsicherung, mehr nicht.

Bodenrichtwerte: Plus 55,3 Prozent
Mainhattan im Aufwind
Dabei sollte die Mainmetropole eigentlich frohlocken, denn die Rasanz ihrer positiven Entwicklung der vergangenen Jahre ist atemberaubend. Inzwischen hat Frankfurt rund 750.000 Einwohner, Tendenz steigend. Damit liegt man zwar noch immer deutlich hinter den großen vier Millionenstädten Deutschlands, hat aber auch über 100.000 Einwohner mehr als Stuttgart auf Rang sechs.
Und dennoch steht diese Einwohnerzahl in keinem Verhältnis zur Bedeutung der kleinen Weltstadt. Bewegt man sich durch Mainhattan, hört man nicht selten ein Gewirr aus diversen Sprachen. Die Gründe sind klar: Neben (und demnächst womöglich sogar vor) London ist Frankfurt Europas wichtigster Finanzplatz. Ob Banken oder Börse – am Main dreht sich alles ums Geld. Wie eigentlich schon immer.

Nahes Umland
Zudem sollte man nicht nur das reine Stadtgebiet betrachten, sondern auch das Umland. Fährt man in Hamburg zum Beispiel aus der City in die Elbvororte, ist man definitiv länger unterwegs als vom Frankfurter Westend in den Vordertaunus.
Erst so ergibt sich ein stimmiges Bild, das für die bereits angesprochene Bedeutung der Stadt passt. Zum Beispiel umfasst der Regionalverband Frankfurt/Rhein/Main inklusive der Stadt Offenbach und Kreisen wie Hochtaunus oder Main-Taunus rund 2,3 Millionen Einwohner. Dabei gibt es Prognosen, die allein für Frankfurt von einem fast 20-prozentigen Bevölkerungszuwachs bis zum Jahr 2030 ausgehen.

Einfamilienhäuser und Neubauwohnungen sind Mangelware
Nur ähnlich wie bei anderen Metropolregionen gehen mit dieser starken Anziehungskraft auch eine steigende Nachfrage sowie eine Angebotsverknappung einher. Einzig im Bereich der hochwertigen Eigentumswohnungen – gern auch als das Luxussegment bezeichnet – scheint etwas Ruhe einzukehren.
Hier ist in letzter Zeit etwas mehr Angebot auf den Markt gekommen, was die Marktsituation ein wenig entspannt hat. Interessenten müssen nicht mehr „panisch“ kaufen, es gibt tatsächlich eine richtige Auswahl. Was allerdings auch zu verlängerten Vermarktungszeiten geführt hat.
Einfamilienhäuser im Bestand, aber auch Neubauwohnungen im viel zitierten mittleren Preissegment sind hingegen absolute Mangelware. Dies ist eine Situation, die Frankfurt nicht exklusiv hat, doch besser wird sie dadurch auch nicht. Urbanisierung um jeden Preis bleibt der Trend. Anpassung ist angesagt.
Und so orientieren sich die Interessenten am Main entweder in Richtung Alternativlagen oder senken ihre Ansprüche. Selbst in einer finanzkräftigen Stadt wie Frankfurt wachsen für viele Immobiliensuchende die Bäume eben nicht in den Himmel.

Newcomer-Lagen
In Sachen Newcomer-Lagen haben sich in jüngster Vergangenheit bereits Rödelheim, Heddernheim oder Hausen hervorgetan. Hier wird davon gesprochen, dass es in Ordnung sei, Kompromisse an die Adresse zu machen. Die Hauptsache ist – und bleibt –, dass Anbindung und Infrastruktur passen.
Neuerdings wird auch von Bonames gesprochen. Vor Jahren noch völlig undenkbar. Aber da war auch Offenbach noch Feindesland. Das ist allerdings eine andere Geschichte …
Völlig akzeptiert ist inzwischen das Ostend. Spätestens mit der Fertigstellung der EZB, des einzigen Bankenturms außerhalb des Bankenviertels, hat sich die Eastside etabliert. Das einstige Schmuddeleck der Stadt gehört mittlerweile zu deren Aushängeschildern. Ähnlich sieht es mit dem Riedberg aus.
Dort, wo vor etwas über zehn Jahren noch ein leerer Hügel war, ist ein komplett neuer Stadtteil mit Uni und Bahnanbindung entstanden, in dem sich sogar ein Stararchitekt wie Daniel Libeskind mit Wohnbauten verewigt.
Es gibt also durchaus Alternativen mit Neubau und im Bestand. Man muss sie nur für sich entdecken. Auch das kann mitunter richtig spannend sein.
Fazit: Das eingangs erwähnte chinesische Sprichwort wird gemeinhin als Fluch verstanden. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser nicht bewahrheitet - es bleibt also spannend!
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