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ÜBERBLICK Die historische Festung Hohensalzburg thront majestätisch über der barocken Altstadt, während sich die Salzach glitzernd durch das Stadtbild schlängelt | FOTO: AdobeStock/JFL Photography

Es beginnt, wie alles in Salzburg beginnt: mit einer Übertreibung. Einer barocken, einer wuchernden, einer fast obszönen Übertreibung. Kein Lautsprecher, keine PR-Agentur der Welt könnte das Geräusch erzeugen, das die Festspiele machen, dieses tiefe, murmelnde, schillernde, sich selbst beweihräuchernde Geräusch, das aus allen Fenstern dringt, aus allen Kellern, allen Hotelbars und allen, ja vor allem allen Gesichtern. Und aus den Immobilienanzeigen, die längst klingen wie Ouvertüren: Investieren Sie in bleibende Werte. Lage, Lage, Rendite. Serviced Apartment mit Seeblick – ideal für Festspielgäste.

Die Stadt als Bühne

Salzburg, im Juli. Die Hitze steht wie Bühnennebel über der Altstadt, der Mönchsberg glotzt unbeteiligt auf das Spektakel hinab, das sich unter ihm abspielt, Jahr für Jahr dasselbe und doch jedes Mal von einer noch ein wenig steileren Selbstverliebtheit, einer heraufbeschworenen Grandiosität, einer noch ein wenig autokratischeren Melancholie. Die Menschen kommen, als wären sie eingeladen worden, aber sie haben bezahlt. Und zwar nicht wenig. Nicht bloß mit Geld. Sondern mit Haltung, mit Gesicht, mit dem feinen Zittern, das man bekommt, wenn man zum zehnten Mal dieselbe Arie hört und dennoch tut, als wäre es das erste Mal. Sie steigen ab in Eigentum auf Zeit. In Apartments, die man mietet, um sie irgendwann zu besitzen, oder besitzt, um sie immer wieder zu vermieten. Kapital mit Concierge. Rendite mit Lift. Investition mit Bettwäschewechsel.

Ich sehe sie, wie sie schreiten, nicht gehen, sie schreiten, in ihren Roben, in ihren Lackschuhen, sie tragen ihr Bewusstsein wie eine Maske vor sich her, ein Bewusstsein, das sagt: Ich bin Kultur, ich bin Bildung. Und ich besitze. Ich besitze ein Stück Salzburg. Ich besitze eine der raren Altbauwohnungen in der Getreidegasse, die nie wirklich leer steht, weil nie jemand wirklich dort wohnt, weil sie wie Salzburg selbst ist – nur dann lebendig, wenn jemand zuschaut.

Beautiful of Aerial panoramic view in a Autumn season at a historic city of Salzburg with Salzach river in beautiful golden evening light sky and colorful of autumn at sunset, Salzburger Land, Austria 1350x900_Website_AdobeStock_278470364_SASITHORN.jpg
ELEGANZ Die ebenso traditionelle wie elegante Stadt Salzburg wird zu Ostern und im Sommer von den Festspielen dominiert. Auch die Immobiliennachfrage wird davon wesentlich beeinfluss | FOTO: AdobeStock/SASITHORN

Die Oper auf der Straße

Dabei ist es eine Oper. Eine gut inszenierte, brillant gespielte, von Streichern gestützte Oper, die sich auf der Straße genauso fortsetzt wie auf der Bühne. Wer hier lacht, lacht nie aus dem Bauch, sondern aus der Überzeugung, dass es gerade angebracht ist. Wer schweigt, schweigt nicht aus Demut, sondern aus dem tief empfundenen Willen zur Wirkung. Jede Immobilie hier ist Teil des Spiels, Teil des Programms, eine Eintrittskarte in das Geräusch der Gesellschaft.

Ich sitze auf dem Residenzplatz, der Stein ist heiß vom Tag, die Luft riecht nach Parfum und Schweiß, ein sonderbares Parfum, das man sich nur in Salzburg leisten kann, dieser Mischung aus Dekadenz, Religion, Hochkultur und Gesellschaftsluft. Und auch nach der neuen Lobbybar eines sanierten Stadthauses, das man jetzt als Investmentobjekt mit Kulturbezug vermarktet. Die Verkäufer nennen es „Anlegerimmobilie“, die Käufer nennen es „Festspielnähe“, die Makler nennen es „Emotion mit Substanz“. Und alle meinen dasselbe: Status mit atrraktiver Nebeneinkunft.

Jedermann und das Ritual der Rendite

Und dann beginnt es. „Jedermann“. Immer wieder „Jedermann“. Der reiche Mann stirbt, wie er es jedes Jahr tut. Er tut es zuverlässig, pünktlich, in goldener Rüstung. Er stirbt schöner, als jeder Mensch je gelebt hat. Und das Publikum – wie jedes Jahr – schaut zu, rührt sich nicht, lässt sich rühren, ohne berührt zu sein, weil man das in Salzburg so macht. Die Fassade muss stimmen. Der Tod muss inszeniert sein. Die Armut muss ästhetisch sein. Die Erlösung ein Bühnenbild. Und die Wohnung – eine Kapitalanlage.

Und doch – das Erschreckende, das Beglückende ist: Es funktioniert. Man will nicht, aber man muss. Man wird hineingesogen in dieses Übermaß an Klang, Bedeutung, Behauptung. Und irgendwann, zwischen der zweiten Fuge und dem dritten Glas Champagner, fragt man sich, ob es nicht doch einen Sinn hat, dieses ganze Theater, ob die Maske nicht das eigentliche Gesicht ist, ob der Applaus nicht der einzige ehrliche Moment in dieser Stadt ist. Oder die Unterschrift unter einen Kaufvertrag.

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NEUES IN ALTEM Eine Bühne direkt auf dem See – das gibt es jeweils an den beiden Enden Österreichs. In Bregenz in Vorarlberg wie auch in Mörbisch im Burgenland | FOTO: AdobeStock/ARochau

Die wahren Festspiele – der Immobilienmarkt

Weil, abseits dieser kulturellen Festspiele gibt es in Salzburg auch nie enden wollende Festspiele der Immobilien. Während es keine explizit an die Festspiele gebundenen Immobilienprodukte gibt, sind Investitionen in Ferienwohnungen, Apartments und Hotels in Salzburg besonders während der Festspielzeit lukrativ. Indirekte Investments über Fonds oder Crowdinvesting können ebenfalls von der erhöhten Nachfrage und Wertsteigerung profitieren, die durch die Festspiele ausgelöst werden. Außer in Kitzbühel und der Wiener City ist es nirgendwo so teuer wie hier. Und fast zeitgleich zu Salzburg feiert sich Wien mit seinen Festwochen. Der Effekt auf den Immobilienmarkt ist indessen gering, weil Wien ganzjährig eine hohe Nachfrage und ein großes Angebot hat.

Vorarlberg – die stille Antithese

Am anderen Ende des zwar schmalen aber langgestreckten Landes, in Vorarlberg, das freilich für alle Österreicher außerhalb als hinter dem Arlberg angesehen wird, geigen sich die Bregenzer Festspiele zur Weltgeltung. Und boosten in der Tat den Immobilienmarkt hier. Wobei, Vorarlberg die These zu Salzburg ist. Unaufgeregt. Klar. Zukunftsorientiert. Und wenn selbstverliebt, dann zumindest auf eine ganz andere Weise.

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Gerhard Rodler

Chefredakteur

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