Kroatien: wo der Wind Geschichten erzählt...
…und die Häuser still zuhören. Man kauft kein Haus in Kroatien, weil es sich rechnet. Man tut es, weil der Moment da ist: ein zu warmer Weißwein, ein gegrillter Fisch, eine Bucht, die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Und dann ist da dieses alte Steinhaus, das aussieht, als hätte es auf einen gewartet
John Avorich. Er war einer von denen, die nie wirklich irgendwo wohnen. Sein Leben passte in zwei Taschen: eine mit Hemden, eine mit Erwartungen. Berlin, Lissabon, Tel Aviv – Orte, in denen man Kaffee bestellt, ohne aufzuschauen, und sich dennoch verstanden fühlt. Er ist 52. Architekt mit einem Hang zur Stille. Geschieden, ohne Kinder. Dafür mit einer ausgesuchten Sammlung von französischem Jazz auf dem Handy, die immer dann zu spielen begann, wenn er die Küste erreichte.
Zwischen Orten und Jahren – die Suche nach einem Zuhause
Er hatte nicht vor, in Kroatien ein Haus zu kaufen. Er wollte nur den Sommer verlängern. Vielleicht zwei Wochen. Vielleicht drei. Ein Glas Wein am Hafen. Eine Frau, die raucht. Ein belangloses Gespräch und eine Nacht zu zweit.
Nichts von dem passierte. Und doch in anderer Form alles. Die Insel war Korčula. Sie lag da wie ein vergessener Gedanke, den man wiederfindet, ohne ihn je gehabt zu haben. Er hatte ein Boot gemietet, ein viel zu kleines, und war in eine Bucht gefahren, deren Namen er nicht kannte. Dort stand das Haus. Stein auf Stein, mit blinden Fensterläden und einem Feigenbaum, der in alle Richtungen wuchs, als wolle er sich erinnern, woher der Wind kommt.
Es war zu groß. Zu alt. Zu teuer. Der Besitzer, ein Zahnarzt aus Zagreb, sprach wenig, zeigte auf das Dach, zuckte mit den Schultern und sagte: „Funktioniert.“ Es funktionierte nichts. Aber der Mann aus Berlin sagte: „Ich lasse mich darauf ein.“ Und meinte nicht nur das Haus.
Ein Haus am Meer – und der Preis der Entscheidung
Später, in der Agentur in Split, legte man ihm Zahlen hin. 3.800 Euro pro Quadratmeter. Moderat, sagte die Maklerin. Die Preise seien seit 2023 um über 20 Prozent gestiegen – besonders auf den dalmatinischen Inseln. Dubrovnik? Hvar? 6.000 bis 7.000 Euro. Split Innenstadt? Fast ebenso. Zagreb? Nur 3.500. Aber wer wolle schon in Zagreb wohnen, wenn das Meer flüstert?
Er hörte zu, nickte, bestellte einen Espresso. Und fragte sich, warum ausgerechnet er – der nie sesshaft war – jetzt über Immobiliensteuer sprach. 4 Prozent, sagte sie. Für Ferienimmobilien. 3 Prozent, wenn es der Hauptwohnsitz würde. Und eine neue Leerstandsabgabe – 0,6 bis 8 Euro pro Quadratmeter. Man wolle verhindern, dass Häuser wie Sommerflirts enden: kurz, schön, vergessen. Die Nebenkosten? Rund 7 bis 10 Prozent beim Kauf. Aber sie lächelte, als sie sagte: „Dafür haben Sie dann das Meer.“
Er dachte an das Haus auf Korčula. An das rostige Tor. An die Treppe, die ins Nichts führte. An die Frau, die dort jeden Tag drei Doraden grillte, barfuß, mit Rosmarin in der Hand. Und an das Bier, das immer zu warm war – und dennoch das Beste, das er je getrunken hatte.
In den Wochen danach besuchte er andere Inseln. Hvar war blendend – blendend schön, blendend teuer, blendend belebt. Er sah eine Villa mit Infinity-Pool, 7.000 Euro pro Quadratmeter, voll möbliert, Yachthafen in Sichtweite. „Ideal zur Kurzzeitvermietung“, sagte der Makler. 8 Prozent Jahresrendite, garantierte Auslastung, Nachfrage aus Frankreich, Deutschland, den USA. Und verlässlich viele junge Käufer – digitale Nomaden mit Geschmack.
Er fuhr weiter. Brač war weicher. Supetar, Bol, Milna – alles klang wie Urlaub. Die Preise stiegen, aber langsamer. Noch. Villen mit Meerblick, Apartments mit Pool, Steinhäuser, die nach Lavendel rochen. Familien kauften hier. Menschen, die länger blieben. Die gerne Gäste empfingen. Die vielleicht sogar ein kleines Café eröffneten, nur für ihre guten Freunde.
In Istrien wurde er höflich begrüßt, ein wenig zu höflich. Poreč, Rovinj, Medulin – elegante Fassaden, restaurierte Altbauten, Restaurants mit Glasfassade und Weinliste. Die Immobilien? 5.000 bis 6.000 Euro pro Quadratmeter. Steinhäuser mit Designanspruch. Villen mit Pool und Concierge- Service. Eine internationale Klientel. Perfekt – und ein bisschen zu perfekt. Man sprach fließend Italienisch, flüssig Englisch, ein wenig zu viel über Poolpflege und zu wenig über das Wetter.
Er informierte sich. Über Trends. Über Nachfrage. Über Grundstücksknappheit in beliebten Regionen. In Krk, wo Ferienwohnungen mit Bootsanleger beliebt sind, war der Markt effizient, aufgeräumt. In Cres und Lošinj sah er Häuser in Alleinlage, autark, mit Solaranlage und Wassertank – für Menschen, die sich selbst genug waren. Und Rab? Dort lachte ihn eine Maklerin an und sagte: „Hier kaufen nur Leute, die Sandstrände dem Geröll vorziehen.“
Wenn Besitz zu Stille wird
Er kehrte zurück nach Korčula. In die Bucht, die immer noch keinen Namen hatte. Das Haus war jetzt seins. Es hatte einen neuen Wasserfilter, Solarpaneele, die nicht funktionierten, und einen alten Stuhl, auf dem man besser dachte. Er holte sich Wein vom Nachbarn, füllte die Zisterne auf, stellte den Liegestuhl ans Fenster und hörte nichts außer der Zeit.
Er renovierte langsam. Mit Bedacht. Holzböden statt Fliesen. Eine Außendusche mit Blick auf die Sterne. Ein kleiner Holzsteg, der direkt ins Wasser führte. Keine Smart- Home-Technik. Keine automatische Jalousie. Nur ein Grill, zwei Pfannen, ein Haken für den Sonnenhut. Und Wände, die endlich zu ihm passten.
Er vermietete im Sommer. Über eine lokale Agentur. 1.400 Euro die Woche. Voll belegt. Selbst die warmen Bierflaschen schienen Teil des Charmes zu sein. Die Steuer? Stimmt, 4 Prozent beim Kauf, etwas mehr bei Vermietung – aber was war das gegen die Rendite, gegen das Gefühl, dass jemand anderes sich verliebt hatte in denselben Sonnenuntergang?
Der Mann, der nie irgendwo wohnen wollte, blieb. Nicht für immer. Aber für diesen Sommer. Und den nächsten. Und vielleicht für jenen Tag, an dem das Meer aufhört zu rauschen – und einfach nur da ist.
BEL 04/25