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Foto: iStock/TommL

Exakt 609.869 Menschen lebten laut Einwohnerregister gegen Ende des letzten Jahres in Leipzig. Damit ist die sächsische Metropole achtgrößte Stadt Deutschlands. Und es fehlen nur noch wenige Zehntausend, bis Düsseldorf und Stuttgart überholt sind. Das müsste bis zum Ende dieses Jahrzehnts erreicht sein.

Leipzig lockt heute mit einem überaus stimmigen Gesamtkonzept, hat nichts mehr mit der grauen Stadt voller verkommener Häuser im Osten zu tun, die einige vielleicht noch vor Augen haben. Nach der Wende drohte die Stadt auszubluten, hatte nur noch 450.000 Einwohner, verlor stetig vor allem junge Menschen an den Westen und glich über Jahre einer einzigen großen Baustelle. Seit einigen Jahren präsentiert sich Leipzig größtenteils wieder in seiner urspünglichen Pracht. Die Mehrzahl der rund 15.000 Altbauten – einsamer Rekord in Deutschland – erstrahlt wieder in alter Schönheit.
Wer heute nach „Leipzsch“ kommt, begegnet einer lebenslustigen, liebenswerten, quirligen Metropole mit vielen Grünflächen und Wasserwegen, hohem Freizeitwert und vielfältigem Kultur-Angebot.

Studentenstadt

Dass Leipzig „richtig cool“ ist, hat sich besonders unter jungen Leuten herumgesprochen. 40.000 Studierende leben hier. Die vor über 600 Jahren gegründete Universität ist eine der ältesten Europas, bietet 14 Fakultäten und über 450 Professuren. Tolle Kieze, angesehene Uni, kurze Wege, bezahlbare Mieten, gutes Angebot an Cafés und Clubs – mehr geht kaum.

Wie sehr sich die Einstellung zu Leipzig in nur zehn Jahren verändert hat, zeigt eine Umfrage unter Studentinnen und Studenten: 2010 noch planten 80 Prozent von ihnen, Leipzig nach ihrem Studium wieder zu verlassen. 2020 konnten sich 80 Prozent der Befragten vorstellen, hierzubleiben, Karriere zu machen und eine Familie zu gründen.

Mitten in Deutschland

Gleich drei Autobahnen sind rund um die kompakte Stadt schnell erreichbar. Nur drei bis dreieinhalb Stunden braucht der ICE nach Frankfurt, München, Hamburg oder Prag, in einer Stunde erreicht die Bahn Berlin oder Dresden.

Einige namhafte Hersteller haben Leipzig als Standort gewählt. Im Norden der Stadt bauen 5.200 BMW-Mitarbeiter rund 750 Autos am Tag, 4.300 Porsche-Mitarbeiter fertigen die Modelle Macan und Panamera,  im Umfeld siedelten sich diverse Zulieferer an, DHL und Amazon haben in Flughafennähe große Logistikzentren errichtet, auch der Beiersdorf-Konzern (Nivea, Tesa etc.) baut ein neues Fertigungscenter plus Hub.

Außerdem in Leipzig angesiedelt: der MDR, das Universitätsklinikum sowie das Bundesverwaltungsgericht. An großen Arbeitsgebern mangelt es der Stadt also nicht. Was der Leipziger Wirtschaft aus Sicht einiger Ökonomen fehlt, ist ein traditioneller Mittelstand. Aus sozialistischen Zeiten haben nur sehr wenige Unternehmen und Betriebe überlebt.

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KOMMERZ UND KULTUR Vor über hundert Jahren ließ Lederfabrikant Anton Mädler ein prachtvolles Messehaus errichten. Im Untergeschoss der Mädler- Passage befindet sich „Auerbachs Keller“. Dank Goethes „Faust“ gilt das Weinlokal gleich nach Münchens Hofbräuhaus als bekannteste deutsche Gaststätte | Foto: iStock/Holgs

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WOHNEN AM WASSER Industriepionier Carl Erdmann Heine wollte Mitte des 19. Jahrhunderts die florierende Stadt über einen Kanal an internationale Gewässer anschließen. Im Zuge dessen entstanden auch zahlreiche kleinere Wasserwege | Foto: iStock/TommL

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

In vielen Punkten ist die Situation und Stimmung auf dem Leipziger Immobilienmarkt identisch mit der anderer deutscher Metropolen. Allerorts das gleiche Spiel.

Corona hat den Wunsch nach größerem und komfortablerem Wohnraum verstärkt. Besonders junge Familien zieht es zunehmend in die Geborgenheit der Vorstädte. Die Homeoffice-Erfahrung hat gezeigt, dass es auch mit weniger Büroaufenthalt und somit weniger Bürofläche geht. Die allgemeine Entwicklung „weniger Einzelhandel, mehr Versandhandel“ wurde durch die Pandemie noch deutlich beschleunigt. Begehrter denn je sind folglich auch Logistik-Immobilien mit guter infrastruktureller Anbindung. Für die Zukunft der Innenstädte sind dringend kreative und trotzdem umsetzbare Ideen gefragt.

Immobilien sind heiß umkämpft, Eigennutzer und Investoren treten als Konkurrenten auf, Besichtigungen finden über Videocalls statt, die Preise steigen und steigen, Baukosten gehen durch die Decke, bei Baugrundstücken überbieten sich die Projektentwickler bis zur Schmerzgrenze.

Viele fürchten Strafzinsen fürs Ersparte, die steigende Inflation und sind sich sicher, dass irgendwann eine Rechnung für die Corona-Billionen-Kredite serviert wird. Generell geht es beim Immobilienkauf in erster Linie nicht mehr um Renditen, sondern um Sicherheit und Werterhalt.

So viel zu den Gemeinsamkeiten, nun zu den Unterschieden. „5.000 Euro pro Quadratmeter für einen renovierten Altbau in guter Lage“ – lesen Immobilieninteressenten aus Stuttgart, Köln oder Frankfurt ein solches Angebot, vermuten sie einen Druckfehler: „Da wurde wohl eine Eins vorweg vergessen.“ Für Münchner fehlt sogar eine Zwei. In Leipzig gibt es solche Preise noch.

Der Unterschied liegt in der Struktur des Marktes. Es folgen – vereinfacht zusammengefasst – die wichtigsten Merkmale. Löhne und Gehälter sind in Ostdeutschland immer noch deutlich niedriger als in den alten Bundesländern: im Schnitt knapp 1.000 Euro brutto pro Monat.

Auch besser verdienende Manager stammen hier überwiegend immer noch aus dem Westen. Nur jedes dritte der größten Unternehmen in den neuen Bundesländern wird von einer oder einem Ostdeutschen geleitet.

In Ostdeutschland hat sich bislang keine nennenswerte Erbengeneration entwickeln können. Die meisten haben nach der Wende bei Null angefangen.

Lediglich 14 Prozent der Leipziger leben in der eigenen Immobilie. Zum Vergleich: In Hamburg oder München sind es rund 24 Prozent, in Bremen sogar 37 Prozent.

Selbst die jungen, reichen Kicker vom RB Leipzig leisten sich keine sündhaft teuren Mieten. Zehn Euro pro Quadratmeter und Monat sind immer noch eine Schallgrenze, die viele Leipziger nicht durchbrechen wollen oder können.

Sie müssen es auch nicht, weil es genug Alternativen gibt. Im Gegensatz zu Berlin oder westdeutschen Großstädten sind Mietwohnungen in Leipzig keine Mangelware. Im letzten Jahrzehnt wurde enorm viel saniert und gebaut. Und es befinden sich noch einige Großprojekte in der Pipeline, zum Beispiel auf Arealen am Eutritzscher Freiladebahnhof, am Bayerischen Bahnhof oder im Lindenauer Hafen. Hier werden in den nächsten Jahren Tausende neuer Wohnungen auf den Markt kommen, die dann erst einmal absorbiert werden müssen.

Anleger und Eigennutzer

Die Immobilienklientel in Leipzig rekrutiert sich vorwiegend aus zwei großen Gruppen: Kapitalanleger und Eigennutzer. Kapitalanleger stammen aus ganz Deutschland. Inzwischen interessieren sich aber auch zunehmend Investoren aus Österreich, der Schweiz und aus Osteuropa für Leipzig. Neben privaten sind auch institutionelle Anleger wie Rentenkassen oder Fonds aktiv. Für sie sind nicht mehr nur große Wohnanlagen, sondern mittlerweile auch schon ein Mehrfamilienhäuser relevant.

Die Nachfrage ist riesig. Viele Makler nehmen Objekte nach 50 oder 100 Interessenten wieder vom Markt. Auch Notartermine 14 Tage nach Veröffentlichung sind keine Seltenheit. Wer also eine passende Immobilie in Leipzig besichtigt, sollte in seiner Kaufentscheidung nicht zögerlich sein.

Von Vorteil bei der Immobiliensuche in Leipzig ist: Die Stadt ist kompakt, schnell zu erfassen, misst von Nord nach Süd und Ost nach West gerade mal 15 Kilometer.

Perspektive

„In Leipzig hätte man vor 10 oder 20 Jahren kaufen sollen.“ Das stimmt. Aber auch vor fünf Jahren oder selbst im letzten Jahr hätte sich ein Einstieg allemal gelohnt. Es gibt keinen Grund, warum sich dies künftig ändern sollte. Leipzig ist immer noch vergleichsweise günstig und bietet noch jede Menge Potential. Vielleicht wird die Wertentwicklung künftig etwas moderater verlaufen. Vielleicht haben viele Bereiche in der Infrastruktur und in den Behörden in den letzten Boomjahren das Tempo nicht ganz mithalten können und müssen dies nun aufholen. Vielleicht wird es etwas dauern, bis der Mietmarkt all die neuen Projekte aufgenommen hat.

Mit Sicherheit aber wird diese kompakte und schöne Stadt immer mehr Menschen von sich begeistern, immer mehr werden in Leipzig leben und arbeiten wollen. Vor knapp 100 Jahren lag die Einwohnerzahl schon einmal bei über 700.000. Der jetzige Sprung über die 600.000er-Marke war noch längst nicht das Ende.

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BLÜHENDE SEEN-LANDSCHAFTEN Südlich der Stadt entstand aus ehemaligen Braunkohle-Tagebaugruben das 7.000 Hektar umfassende „Leipziger Neuseenland“, heute beliebtes Ausflugsziel und begehrtes Wohngebiet | Foto: PUNCTUM/Hans P. Szyszka
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Bei den Immobilienpreisen wird weiteres, etwas moderateres Wachstum erwartet. Auch die Mieten ziehen weiter an, befinden sich traditionell aber noch immer auf einem günstigen Niveau | Grafik: Jochen Schäfers/Yamori

Leipzig: weitere Preissteigerung erwartet

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Im Speckgürtel der Stadt und im näheren Umland hat Corona die Nachfrage nach Einfamilienhäusern deutlich befeuert. Gefragt sind gute Nahverkehrs-Anbindungen und die Nähe zu den künstlichen Gewässern | Grafik: Jochen Schäfers/Yamori

Leipzigs Umland: begehrt ist die Nähe zu Stadt und Seen


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Claus-Peter Haller

ist Herausgeber von BELLEVUE.