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Bekannt durch den Tatort

Die die meisten Westfalen bezeichnen sich auch die Münsteraner gemeinhin als bodenständig. Prunk und Protz sind verpönt, hier wird der Pelz innen getragen. Aber auf ihre Stadt, da sind sie alle stolz, und die sonst eher sparsam verwendeten Superlative sprudeln nur so. Kein Wunder, denn die Westfalenmetropole bildet eine Ausnahme­erscheinung in der Region.
Schon 2004 wurde Münster zur „lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt, seitdem heimste die 300.000-Einwohner-Stadt noch zahlreiche weitere Preise ein. Dem heimischen Fernsehpublikum ist natürlich der „Tatort“ Münster ein Begriff, das Ermittlerduo Thiel und Boerne ist seit Jahren der Quotenhit der Reihe.

Tatsächlich gibt es wohl kaum eine Stadt in Deutschland, die so fasziniert, dass ein Großteil der knapp 55.000 Studenten auch nach der Studienzeit bleibt, frischgebackene Rentner wieder zurückziehen und viele zwar im Ruhrgebiet arbeiten, aber gerne lange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um in Münster wohnen bleiben zu können. Ein Trend, der sich auch in den Bevölkerungszahlen niederschlägt. 2012 veröffentlichte das statistische Landesamt in NRW Prognosezahlen zur Einwohnerentwicklung. Demnach wird Westfalen bis 2030 rund 6,4 Prozent seiner Bevölkerungszahl verlieren, NRW insgesamt 3,7 Prozent. Große Ausnahme in der Negativstatistik ist Münster, hier prognostizieren die Statistiker in den nächsten 15 Jahren einen Bevölkerungszuwachs von satten 17 Prozent.

Münster steht für Lebensqualität

Fragt man die örtlichen Makler nach dem Erfolgsgeheimnis der Stadt, so sind sich alle einig: die Lebensqualität. Die Fahrradstadt Münster ist grün, wirtschaftlich gesund und jung durch ihre Studenten. Eine Stadt der kurzen Wege, mit ­großem Freizeit- und Kulturangebot für jede ­Altersklasse. Neben der historischen Altstadt, die nach dem Krieg nahezu komplett wiederaufgebaut wurde, setzt die Stadt bei Neuentwicklungen auch bewusst moderne und durchaus kontroverse Akzente, wie zum Beispiel die knallbunte „Boeselburg“ für Studenten am Aasee. So wirkt Münster nicht wie in der Vergangenheit konserviert, sondern präsentiert sich als innovative ­Metropole, die sich ständig weiterent­wickelt, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen.

Die Attraktivität der Stadt hat auch Konsequenzen für den Immobilienmarkt. Aufgrund der hohen Nachfrage kennen die Preise in Münster seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. 2014 wurde auf dem Immobilienmarkt erstmals die Milliardengrenze in Bezug auf Kaufpreisvolumen geknackt. Allerdings führen die Experten des Gutachterausschusses der Stadt Münster den Schub auch auf die Anhebung der Grunderwerbssteuer per 1.1.2015 zurück. Allein bei den Wohnungsverkäufen wurden 20 Prozent der Kaufverträge im Dezember 2014 abgeschlossen.

Laut Grundstücksmarktbericht 2015 sind in den Jahren 2005 bis 2014 die Kaufpreise für frei stehende Einfamilienhäuser um 29 Prozent gestiegen, Reihenhäuser und Doppelhaushälften um 21 Prozent. Im Wohnungsmarkt hängen die Preise stark von der Lage ab. Je näher am Zentrum, desto teurer. So können sich die Quadratmeterpreise von äußeren Stadtbezirken Richtung Zentrum mehr als verdoppeln.
Galt vor vier Jahren zum Beispiel das neu erbaute Luxusquartier Klostergärten am Hörster Platz, direkt an der Promenade, als preislicher Ausreißer, so haben sich mittlerweile die Preise in anderen Toplagen diesem Niveau angeglichen.

Lagen & Preise

Mittelstadt Münster

Begehrte Lagen

Seit 2005 stiegen die Immobilienpreise um bis zu 30 %. In den nächsten 15 Jahren soll Münsters Bevölkerung um 17 % wachsen

Innenstadt bleibt begehrt

Je nach Ausstattung und Lage zahlen Käufer bei Neubauten bis zu 6.000 Euro pro Quadratmeter, berichtet Christiane Schölling, Inhaberin und Geschäftsführerin von Schölling Immobilien in Münster. Innerstädtisch geht die Maklerin davon aus, dass sich die Preise auf dem heutigen Niveau halten werden. Investoren von außerhalb gibt es, sie dominieren aber nicht am Markt. Laut Grundstücksmarktbericht wurden im letzten Jahr 878 Wohnungen von Münsteranern erworben, bei 240 Wohneinheiten waren Veräußerer und Erwerber nicht in der Stadt selbst ansässig.

Begehrt sind vor allem die Innenstadt­lagen, bestätigt auch Dr. Oliver Altenhövel, Bereichsleiter Immobilien bei der Vereinigten Volksbank Münster. Sein Favorit ist das Kreuzviertel mit seinen schmucken Villen aus der Gründerzeit. Das Angebot dort ist rar, oft werden Liebhaberpreise gezahlt, nicht selten über 5.000 Euro pro Quadratmeter. Wenn es sich um einen denkmalgeschützten Altbau handelt, sogar noch mehr.
Trendviertel der Zukunft ist für ihn das Hafenviertel, das komplett neu erschlossen wird. Auf dem 22.400 Quadratmeter großen, ehemaligen Osmo-Gelände sollen ab 2017 neue Flächen für Büros und Gastronomie sowie einige Wohnungen errichtet werden. Auch im Neuhafen Münster sind 280 neue Wohneinheiten geplant, im Hafen-Center sollen 40 weitere entstehen.

Die Marktexperten gehen davon aus, dass die Preisrallye vorbei ist, das Tempo der Preissteigerungen aus den vergangenen Jahren sich verlangsamen wird. Der Halbjahresbericht des Gutachterausschusses weist für das erste Halbjahr 2015 bei Neubau-Eigentumswohnungen eine Preissteigerung von rund 5 Prozent aus, im Wiederverkauf lagen die Kaufpreissteigerungen lageabhängig zwischen 5 und 10 Prozent.
Im Stadtteil Kinderhaus wird derzeit eine Wohnanlage aus den 70er-Jahren ­saniert und die rund 60 Wohneinheiten als Eigentumswohnungen verkauft. Die Quadratmeterpreise sind mit 1.600 bis 1.700 Euro pro Quadratmeter vergleichsweise günstig, ­allerdings handelt es sich hier um eine eher strukturschwache Gegend.

Gute Rendite

Nichtsdestotrotz sind Renditeaussichten für Kapitalanleger verlockend. Der Vermarkter, Homann Immobilien aus Münster, spricht von Renditen von bis zu 5,3 Prozent. „Kinderhaus ist keine Edellage“, gibt Inhaber Bernard Homann zu, „aber die Mieter sind verlässlich, und es gibt so gut wie keine Leerstände.“ Viele der heutigen Mieter wollen selbst kaufen, freie Wohnungen werden Investoren angeboten.
Bezahlbarer Wohnraum ist auch beherrschendes Thema bei der Stadtbauplanung. „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“, bringt Siegfried Thielen, Dezernent und Konversionsbeauftragter der Stadt Münster, die Philosophie bei der Stadtentwicklung auf den Punkt. Neuverdichtung und Konversion würden priorisiert, um die für Münster so typische ländliche Anmutung mit viel Grün und Ackerflächen in den Außenbezirken zu erhalten. Das mit Abstand größte Konversionsprojekt ist die Neugestaltung der beiden ehemaligen britischen Militärstützpunkte, der York-Kaserne in Gremmendorf und der Oxford-Kaserne in Gievenbeck.

Neue Projekte

Das Architekturbüro Lorenzen gewann die Ausschreibung für das 50 Hektar große Areal der York-Kaserne, die 26 Hektar große Oxford-Kaserne wird vom Architekturbüro Kéré in ein neues Quartier zum Wohnen, Leben und Arbeiten umgestaltet. Nur 3 bis 5 km Luftlinie vom Dom­platz entfernt, handelt es sich bei den Kasernenflächen um attraktive Wohnlagen, Baubeginn ist für 2018 geplant. Insgesamt soll an beiden Standorten Wohnraum für rund 2.400 Menschen geschaffen werden, davon mindestens 30 Prozent öffentlich gefördert.

Im Verhältnis zu diesen Dimensionen geradezu winzig ist das ökologische Vorzeigeprojekt Daphne Haus, aber es zeigt einmal mehr die Vielfalt und die aktive Bewegung in der Region. Zwischen Münster und Münster-Hiltrup, idyllisch in einem Landschaftsschutzgebiet gelegen, befindet sich auf über 7.500 Quadratmeter Grund ein ehemaliges Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert mit großer Scheune. Das Herrenhaus wird kernsaniert, die Scheune in zwei Wohneinheiten umgebaut.

Das Besondere an dem Projekt ist, dass hier alles, was moderne Bauökologie zu bieten hat, umgesetzt wird. Keine Chemie und kein Furnier. Unterstützt von Stadt und Handwerkskammer will die Initiatorin des Projekts, Daphne Schulte, hier mehr bewegen als „nur“ ein ökologisches Bauprojekt. Über Workshops, Tage der offenen Tür etc. können sich Bürger, aber auch Handwerker live vor Ort informieren, wie nachhaltiges Bauen in der Praxis funktioniert. Von Natur pur bis hin zu Luxus pur, der Immobilienmarkt in Münster hat viel zu bieten. Wer sich dafür interessiert, dem empfehlen die Experten, einfach mal vorbeizukommen und die Stadt persönlich zu erleben. Aber Vorsicht, es kann sein, dass Sie dann bleiben.
Haus
BELLEVUE Ausgabe 6/2015

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Dieser Artikel stammt aus dem BELLEVUE-Heft 06/2015.

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