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Jürgen Schorn, Geschäftsführer Bauwerk, München | Foto: Bauwerk

Das Jahr 2002 steht im Zeichen der Euroeinführung, der Jahrhundertflut an der Elbe, des Atomausstiegs – und es ist das Jahr der Gründung von Bauwerk Capital.

BELLEVUE: Was war am Markt bei Gründung der Bauwerk Capital anders als heute?

Jürgen Schorn: Prägend waren zwei Dinge. Damals steckte das Immobilienmarketing noch in den Kinderschuhen. Und alles, was vor 20 Jahren in München gebaut wurde, kam aus der Schublade. Ein Einheitsbrei – egal an welchem Standort. Zudem sprechen wir von einer Zeit, die noch in den Nachwehen der Dotcom-Krise steckte. Am Markt lief nicht sonderlich viel. Wir wollten uns beim Marketing nicht an der Immobilienbranche orientieren, sondern an der Automobilindustrie und progressiveren Branchen. Es ging und geht uns darum herauszufinden und umzusetzen, was der Kunde möchte und wie er angesprochen werden will.

Können Sie sich noch an das erste Projekt unter Ihrer Ägide erinnern?

Das kann ich extrem gut. Es war 2003 im Jahrhundertsommer, als wir das Projekt Wallbergblick in Rottach-Egern verkauft haben. Insgesamt zwölf Wohnungen mit großen Grundrissen und – für damalige Verhältnisse – sehr hohen Preisen ab 500.000 Euro. Wir standen bei einem schwachen Gesamtmarkt unter großem Erfolgsdruck und haben bei extremen Temperaturen im Anzug die Musterwohnung besetzt und auf Hochglanz gebracht. Letztlich hat sich die Mühe gelohnt.

Bauwerk hat einige Highlights entwickelt. Welches Projekt war am spektakulärsten?

Das ist eindeutig Wave in Berlin. Es ist ein Neubau am Wasser – mit Anlehnungen an den Yachtbau. Wir waren uns absolut sicher und haben die Kaufentscheidung binnen kürzester Zeit getroffen. Und das, obwohl alle Marktteilnehmer vorausgesagt haben, dass dieses Projekt dort nicht funktionieren würde. Dazu hatten wir mit Graft Architects ein Architekturbüro, das so progressiv ist, dass es nur zwei Möglichkeiten gab – entweder schlägt das Projekt ein wie eine Granate oder es wird ein Fiasko. Ich denke, die Zufriedenheit der Käufer und der MIPIM-Award zeigen, dass wir richtig lagen. Externer Applaus ist immer ein Erfolgsbeweis.

Gab es ein Projekt, das Sie im Nachhinein lieber nicht entwickelt hätten?

Auch hier ist die Wahl klar. Das LAGOM am Ammersee hätten wir besser so nicht umgesetzt. Und zwar nicht, weil wir nicht hinter dem Projekt stehen, sondern weil es aus kaufmännischer Sicht nicht sinnvoll war. Für die Bewohner, den Standort und uns war es imagemäßig sehr gut, aber wir waren zu detailverliebt, und letztlich stiegen die Kosten immer weiter. Es gab sogar Surfbretter für die Bewohner mit LAGOM-Logo … Aber es gibt tatsächlich kein Projekt, hinter dem wir nicht auch heute noch stehen würden. Entweder man ist überzeugt oder man lässt es – das muss die Devise sein.

Welches Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen oder bedeutet Ihnen besonders viel?

Das Projekt Gern 64 in Neuhausen war ein Meilenstein für uns. Mitten in der Lehman- Krise haben wir gemeinsam mit der Stadt München 200 Wohneinheiten umgesetzt. In dieser Zeit hat kaum jemand einem anderen vertraut. Dass die Stadt uns bewusst als Partner ausgewählt hat, war wie eine Art Ritterschlag für Bauwerk – und der Beginn für weiteres unternehmerisches Wachstum.

Bauwerk versucht stets neue Maßstäbe zu setzen. Wie kann man jedem Standort und jeder Zielgruppe gerecht werden?

Bevor wir ein Grundstück kaufen, setzen wir uns im Team zusammen und versuchen ein Bild davon zu erstellen, was dort entstehen kann und was die Kunden dort für Ansprüche haben. Danach wird entschieden, was zu diesem Projekt passt. Das reicht von der Architektur bis zur Badfliese – alles sollte möglichst unikal sein. Duplizierungen sind tabu. Letztlich ist das aber keine Zauberei, sondern Fleißarbeit und konsequentes Zuhören bei unseren Kunden. Das ist unser Erfolgsrezept.

Was will der Kunde von heute, was der von 2002 nicht wollte oder nicht haben konnte?

Die Ansprüche sind gegenüber 2002 stark gestiegen. Flexibilität, Funktionalität, Qualität und Nachhaltigkeit sind absolutes Muss. Früher waren Wohnen und Arbeiten zumeist strikt getrennt. Das ist heute unvorstellbar. Es vermischt sich alles. Aktuell sind Rückzugsbereiche und Ruhezonen essentiell. Wichtig ist uns, mit den Projekten weiterhin auf die Strömungen in der Gesellschaft einzugehen und darauf individuelle Antworten zu geben. Der Käufer soll bei uns das Gefühl haben, dass seine Wünsche und Bedürfnisse erfüllt sind und dass es einfach schön ist, bei uns Kunde zu sein. Das ist seit 20 Jahren einer unserer Leitsätze.

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Projekte Wave | Foto: Bauwerk
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Projekt Gern 64 | Foto: Bauwerk
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Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

BEL 06/22