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SANKT WOLFGANG IM SALZKAMMERGUT Der Wolfgangsee entführt mit seinen Immobilien hier in die Hochzeit der Operette, hat neuerdings aber auch eine moderne Architektursprache | FOTO: AdobeStock/Mikalai

Als die Sonne sich anschickt, im See zu versinken, startet Hannes Varga seine kleine Zille. Der Motor brüllt nicht auf, er tuckert leise. Hier am Neusiedler See, eine gute halbe Autostunde von Wien entfernt, ist alles etwas gemütlicher. Wie in Watte gehüllt. Diese ganz andere Zeitrechnung bestimmt die Menschen. Von wo auch immer sie kommen, in welchem Gemütszustand sie auch sein mögen, die Natur schaltet sie auf Entspannung. Unvermittelt. Und unmittelbar.

So tuckert Varga, einer von nur mehr drei Fischern, auf Österreichs größten See hinaus, den die Sonne zwischenzeitlich blutrot gefärbt hat. Die Natur kommt zur Ruhe, und mit ihr die Menschen. Varga wird einige Stunden später mit einem halbvollen Boot voller Zander zurückkehren. Den holen sich die Seerestaurants noch am frühen Morgen. Der See ist sein Leben. Schon seine Vorfahren waren Fischer auf diesem Gewässer mit seinem einzigartigen Geruch, der spektakulären Schilflandschaft und einem Horizont, der jenseits von Afrika spielen könnte.

Der größte Steppensee Europas ist im Schnitt 1,5 bis unter zwei Meter tief und gefriert in normalen Winter zum größten Eislaufplatz Europas, der bis in die ungarische Puszta reicht. So vermischt der See die ungarische mit der österreichischen Küche. Und ebenso die Mentalitäten.

Reich wird man mit dem Fischen hier nicht. Dafür haben viele andere hier am und mit dem See ein kleines oder größeres Vermögen gemacht. Noch vor einem Jahrzehnt bekam man für 30.000 Euro ein kleines Haus – heute gerade mal zwei Quadratmeter. Der Neusiedlersee hat zwar kein klares Wasser, er hat es aber im letzten Jahrzehnt tatsächlich vom billigsten zum teuersten See des Landes geschafft. Preise zwischen 10.000 und 15.000 Euro direkt am Wasser sind heute die Messlatte. Und derzeit steigen die Preise mit gleichem Tempo weiter. Selbst den Wörthersee und den Attersee gibt es ein klein wenig billiger.

Diese verschmelzen beide nicht so mit dem Horizont, haben dafür aber glasklares Wasser – wie außer dem Neusiedler See praktisch alle der rund 100 nutzbaren Seen im Land. Darunter sind auch Seen abseits der Trampelpfade mit elitären Möglichkeiten und jeweils einzigartigem Ambiente. Zwei dieser mittelgroßen Seen sind der Ossiacher See und der Millstätter See.

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Der Neusiedler See gilt als „Meer der Wiener“ und hat wenige, aber topexklusive Villen direkt am Wasser | FOTO: AdobeStock/defpics

Der Ossiacher See ist der kleine Bruder des Wörthersees und keine halbe Auto-stunde entfernt. Die wahre Elite trifft sich heute dort und sorgt damit auch für eine tolle Gastronomie und allgemein gepflegtes Ambiente. Und bei einem Glas Champagner rosé kommt sich hier, rund um den Kärntner Ossiacher See, altes und neues Geld, auch schon mal normales barrierefrei näher. Und das abseits jeglicher Öffentlichkeit. Rund um den Millstätter See, gar nicht weit weg, ist das ähnlich. Freilich sind die Preise sowohl am Ossiacher als auch am Millstätter See noch etwas niedriger als am Wörthersee – doch mit stark steigender Tendenz. Man sollte sich bei beiden Lagen also nicht zu viel Zeit lassen. Denn beide Seen kombinieren Berge und Seen, Badefreuden mit Pistenzauber. Und mit einer glasklaren, sauerstoffreichen Bergluft – über dem Wasser der Seen.

Mehr Bergluft gibt es vielleicht nur noch in Tirol. Dieses Bundesland ist wohl eher für seine Berge bekannt. Und doch gibt es auch hier wunderbare Seen; kleine zwar, aber mit einzigartigem Ambiente. Der unweit von Fieberbrunn gelegene Pillersee zieht Spaziergänger mit seinem türkisfarbenen Wasser und der schroffen Umrandung der umliegenden Berge in seinen Bann. Der noch näher an Fieberbrunn gelegene Lauchsee ist da ganz anders.

Der kleine Moorsee könnte auch in Schottland sein – nur die angenehmen Wassertemperaturen schließen das aus. Wie die Menschen hier (und die Küche), so ist auch die Landschaft: kantig, ehrlich, direkt. Immer faszinierend und täglich auf eine andere Reise ins Ich mitnehmend. Denn es gibt wenig, was so sehr auf die Psyche wirkt wie das wohlige Getragenwerden im Wasser in Kombination mit der auch innerlich befreienden Sicht von den Bergen ins Tal.

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Der Zeller See ist eher kleiner, bietet aber ein einzigartiges Bergpanorama | FOTO: AdobeStock/jenyateua

Abgesehen vom Neusiedler See sind bei Österreichs Seen die Berge aber ohnedies so gut wie allgegenwärtig. Und jedes Gebiet hat seinen speziellen Reiz. Seekirchen am Wallersee beispielsweise, zwischen Salzburg und dem Salzkammergut, liegt an einem der wärmsten Seen des Salzburger Seenlandes. Wer also gern viel – und lange ins Jahr hinein – ins Wasser springt, wird hier wohl besonders glücklich werden.

Der Attersee im nahen Salzkammergut ist da schon etwas kälter, aber ohnedies mehr als Seglerparadies denn als Badeteich bekannt. Er ist der größte nur in Österreich gelegene See des Landes und bildet das Zentrum des sagenumwobenen Salzkammergutes. Hier machten die Salzbarone nicht nur ihr (großes) Vermögen, sondern gaben der Region auch den heutigen Namen.

Das Salzkammergut ist aber nicht nur wegen seines Salzes außergewöhnlich. Es muss schon eine besondere Gegend sein, wenn hier das Kaiserhaus der alten österreichischen Monarchie über Generationen alle Sommer verbrachte: Eine halbe Autostunde vom Attersee entfernt bezogen alle ihre Villen: die Kaiserfamilie, der Hofstaat. Und auch die Freundin des Kaisers hatte ihre eigene Villa hier. Mit diskretem Eingang. Und genau diese Atmosphäre aus Geschichte und Geschichten prägt den Attersee, die Menschen, die hier leben. Und sogar die Küche, die hier im Salzkammergut eigenständig und doch auch irgendwie kaiserlich ist. Und wer sich hier, und sei es nur mit Zweitwohnsitz, niederlässt, der atmet die tägliche Ration der reichen Geschichte der einst drittmächtigsten Nation der Welt.

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Gerhard Rodler

Chefredakteur

BEL 03/25