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GRASWARDER Die Chance, eines der hübschen Reetdachhäuser auf der Halbinsel bei Heiligenhafen zu ergattern, ist leider gering. Objekte dieser Art werden vererbt oder zu astronomischen Liebhaberpreisen angeboten | Foto: Martin Elsen

Entlang der Küste Schleswig-Holsteins ein Häuschen oder eine Wohnung zu besitzen – das ist der Traum vieler. Generell herrscht auch an der Ostseeküste des nördlichsten Bundeslandes die gleiche Situation wie in anderen beliebten Ferienregionen. Die Aussagen sind identisch: Die Nachfrage übertrifft das Angebot, die Preise steigen, Corona hat das Reiseverhalten geändert, mit dem Auto erreichbare Ferienimmobilien sind begehrt, die Homeoffice- Erfahrung hat gezeigt, dass viele von überall aus arbeiten können, Geld ist genug da, Sicherheit ist wichtiger als Rendite, Träume werden in die Tat umgesetzt.

Bei wenig Angebot, vielen Mitbewerbern und hohen Preisen dürfte es also nicht ganz einfach werden, das passende Objekt zu finden. Deshalb sollten Interessenten als Erstes herausfinden, welche Orte und Gegenden entlang der circa 400 Kilometer langen Ostseeküste ihren Vorstellungen am nächsten kommen.

Die Reise entlang des Ostseeufers beginnt in Deutschlands nördlichster Stadt. Mit knapp 90.000 Einwohnern gilt Flensburg offiziell noch als Mittelstadt, ist aber auf einem guten Weg, einmal Deutschlands nördlichste Großstadt zu werden. 9.000 Studierende, die Nähe zu Dänemark und eine Reihe namhafter Arbeitgeber machen Flensburg zu einer wirtschaftlich gesunden, lebhaften und lebenswerten regionalen Metropole. Das hat sich auch bei den Immobilienpreisen deutlich bemerkbar gemacht. Noch vor rund zehn Jahren lagen die Quadratmeterpreise für Wohnungen in der Innenstadt bei knapp 1.000 Euro, heute wird weit mehr als das Doppelte verlangt. Für Bestlagen, zum Beispiel im völlig neu gestalteten ehemaligen Marinestützpunkt Sonwik mit Top-Ausstattung und Blick auf den Yachthafen, werden auch schon über 7.000 Euro je Quadratmeter aufgerufen.

Die circa 40 Kilometer lange Flensburger Förde gilt als eines der schönsten Segelreviere und als Tor zur „dänischen Südsee“. Das gegenüberliegende Ufer gehört zu Dänemark. Weiter geht es am Ufer entlang durch Flensburgs begehrtes Wohnviertel Solitüde. Hier stehen einige sehr schöne Häuser mit großen Grundstücken direkt am Wasser. Wenn eines davon mal auf den Markt kommen sollte, dann für eine siebenstellige Summe.

Vorbei am bekannten Vitalhotel Alter Meierhof und der riesigen Kasernenanlage Meierwik (man darf gespannt sein, was aus dieser Toplage einmal wird) gelangt man ins Ostseebad Glücksburg, eine hübsche, grüne Kleinstadt mit Strand, Seebrücke und dem berühmten Wasserschloss.

Nach Glücksburg wird es ländlich. Felder, Weiden, Wälder, Chausseen, Bauernhöfe. Lohnend sind Abstecher auf die Halbinsel Holnis und an die Küste bei Langballig. Im Naturschutzgebiet Geltinger Birk leben über 200 Vogelarten, zottelige Hochlandrinder und sogar eine Herde wilder Pferde.

In Kappeln treffen wir auf die Schlei. Der etwa 40 Kilometer lange Meeresarm schlängelt sich von der Ostsee bis nach Schleswig und ist beliebtes Segelrevier. Die Schlei ist absolut en vogue. In den Dörfern und der lieblichen, leicht hügeligen Landschaft rund um das Gewässer haben sich besonders viele Hamburger den Traum vom Feriendomizil oder Altersruhesitz erfüllt.

Auf einem ehemaligen Marinestützpunkt direkt an der Schleimündung entsteht das OstseeResort Olpenitz. Ein gigantisches Projekt mit 1.100 Einheiten. 2024 soll Olpenitz komplett fertiggestellt sein.

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FEHMARNSUND Die 963 Meter lange und 23 Meter hohe Brücke verbindet Schleswig-Holstein mit seiner einzigen Ostseeinsel. Auf der anderen Seite der Insel haben 2021 die Arbeiten zum Tunnel nach Dänemark begonnen | Foto: Martin Elsen

Highlights der Kieler Bucht

Nächste Station: Ostsee Resort Damp. Die vor 50 Jahren mit dem damals futuristischen Namen Damp 2000 ins Leben gerufene Anlage macht immer noch einen gepflegten Eindruck, die relativ kleinen Wohnungen in den großen 70er-Jahre-Gebäuden sind gefragte Anlageobjekte.

Weiter geht es entlang der Eckernförder Bucht, durch Waabs und Langholz, vorbei am herrschaftlichen Gutshaus Hemmelsmark nach Eckernförde. Auch hier hat sich in den letzten Jahren enorm viel verändert. Der Hafen und die hübsche Altstadt von Eckernförde sind einen Besuch wert.

Nach Schwedeneck und Dänisch-Nienhof erreicht man die Kieler Förde. Begehrte Urlaubsorte sind Strande und Schilksee.

Kiel ist ein durchaus spannender Immobilienmarkt, aber eher lokal und für Ferienhaussuchende weniger interessant. Wir kürzen ab und lassen uns mit der Fähre über die Förde hinüber nach Laboe schippern.

Das gepflegte Ostseebad Laboe mit Strand, Yachthafen, Kurpromenade und dem Marine-Ehrenmal gehört zu den Highlights der Region und erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Gute Immobilien sind rar und entsprechend begehrt.

Ein paar Kilometer östlich von Laboe liegt die Marina Wendtorf, wie Schilksee ein Ex-Olympiastützpunkt. Zwischen Yachthafen und den in die Jahre gekommenen Betonklötzen aus den 1970ern entstanden moderne Doppelhäuser und Wohnungen.

Weiter geht es entlang der Ferienhaussiedlungen mit den exotischen Namen Brasilien und Kalifornien zum Schönberger Strand und nach Hohenfelde. Auch hier kommen Ferienhäuser in erster Reihe leider nur selten auf den Markt, und die Preise haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt.

Über die sehenswerten Stationen Gut Panker, das Ausflugslokal Forsthaus Hessenstein und das Hotel Genueser Schiff führt der Weg nach Hohwacht, einem beliebten Ostseebad mit Seebrücke und historischen Badehütten in den Dünen.

Vorbei an dem feudalen 5-Sterne-Hotel Weissenhaus und der Ferienhausanlage Weissenhäuser Strand geht es zur nächsten Etappe: Heiligenhafen. Dieser kleine Badeort hat sich in den letzten Jahren bemerkenswert herausgeputzt. Rund um Fischerei- und Yachthafen wurden luxuriöse Apartments gebaut. Einige der schönsten Immobilien der gesamten Ostseeküste finden sich auf der vorgelagerten Landzunge Graswarder. Rund ein Dutzend Reetdachhäuser stehen hier direkt am Strand. Derartige Objekte werden allerdings leider eher vererbt denn verkauft.

Fehmarn ist mit 184 Quadratkilometern nach Rügen und Usedom Deutschlands dritt größte Ostseeinsel und mit dem Festland durch die fast einen Kilometer lange Fehmarnsundbrücke verbunden. Die Hälfte der rund 12.500 Bewohner lebt in und um die Inselmetropole Burg. Zwar sind die Immobilienpreise auch auf Fehmarn in den letzten Jahren gestiegen, aber landeinwärts finden sich hin und wieder noch günstige Häuser und Wohnungen. Im letzten Jahr haben die Bauarbeiten für den Fehmarnbelttunnel hinüber nach Dänemark begonnen. 2029 soll das 18 Kilometer lange Bauwerk fertiggestellt werden.

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NIENDORF Der Ortsteil von Timmendorfer Strand hat sich in den letzten Jahren beachtlich entwickelt. Mittelpunkt ist der kleine Hafen mit Fischkuttern, kleinen Ausflugsdampfern und Sportbooten | Foto: Martin Elsen
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OLPENITZ An der Schleimündung entsteht auf einem ehemaligen Marinestützpunkt das OstseeResort Olpenitz. 2024 soll das mit über 1.100 Einheiten größte maritime Ferienresort Nordeuropas fertig sein | Foto: Martin Elsen

Klassische Badeorte

Zurück auf dem Festland, geht es südlich weiter Richtung Großenbrode. In dem kleinen Ort entsteht eine Ferienanlage mit 165 Holzhäusern im skandinavischen Stil. Der letzte Bauabschnitt mit 23 Häusern soll dieses Jahr vollendet werden.

Hinter Großenbrode beginnt die „Costa der Campingplätze“. Bis ins circa 15 Kilometer entfernte Dahme finden sich in erster Reihe ausschließlich Wohnwagen. Seebrücke und Strandkörbe, Eis und Fischbrötchen – Dahme und das benachbarte Kellenhusen sind klassische Badeorte. Gefühlt hat sich hier wenig verändert.

Ein deutliches Entwicklungspotential schlum mert auch in Grömitz. Yachthafen, Golf platz, nach Südosten ausgerichteter Strand – der Ort hat viel zu bieten und zählt jährlich über 700.000 Übernachtungen. Nach Sankt Peter-Ording und Sylts Westerland gilt Grömitz als drittgrößter Ferienort Schleswig-Holsteins. Leider wird das Ortsbild großenteils durch Bauten der 70er- und 80er-Jahre geprägt. Grömitz ein zeitgemäßes Erscheinungsbild zu verleihen wird für Stadtplaner eine echte Herausforderung.

Nächste Station: Neustadt in Holstein. Kein Ferienort, sondern eine „ganzjährig geöffnete“ Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern, Bahnhof, Hafen, Schulen, Krankenhaus und Wochenmarkt. Die Lage an der kleinen Förde zwischen Ostsee und Binnengewässer ist reizvoll. Zu Neustadt zählen auch die Strandorte Pelzerhaken und Rettin.

Als Nächstes kommt Sierksdorf. Der Ort besteht eigentlich aus drei Teilen. Bekannt ist Sierksdorf durch den riesigen Hansa-Park: 460.000 Quadratmeter, 125 Attrak tio nen, über 1,5 Millionen Besucher im Jahr. Zwischen Freizeitpark und Strand entstanden einige wenig attraktive Betonbauten mit Ferienwohnungen. Und dann gibt es noch das dritte Sierksdorf. Die Straßen Rögen und Gartenweg werden auch gerne mit Monopolys Schlossallee verglichen. Südost-Ausrichtung, Steilküste, darunter der Sandstrand, ein Haus hübscher als das andere. Leider kommt nur alle Jubeljahre eines dieser Schmuckstücke auf den Markt.

Über Haffkrug geht es weiter nach Scharbeutz. Was sich hier getan hat, ist wirklich spannend. 2005 war die Stimmung in dem Badeort auf einem absoluten Tiefpunkt. Die Gästezahlen hatten sich nach der Wende halbiert und die Scharbeutzer tatenlos zugeschaut, wie immer mehr Stammgäste in die schicken neuen Bäder im Osten abwanderten. Scharbeutz sah mit seinen schlechten Straßen, den Maschendrahtzäunen vorm Strand und dem Waschbetoncharme aus wie ein piefiges Relikt aus den 70ern. Zusehen, wie es weiter bergab geht, oder handeln? Das war die Frage. Man entschied sich fürs Handeln, beantragte bei EU, Bund und Land alle möglichen und unmöglichen Fördermittel und überzeugte private Investoren zu investieren. Das Ergebnis: Scharbeutz steht heute mit seiner neuen, vielseitigen Promenade blendend da, gilt nach Timmendorf als beste Adresse der Lübecker Bucht. Das schicke Bayside Hotel direkt am Strand ist fast immer ausgebucht. Die Immobilienpreise haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

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DEUTSCHLANDS OSTSEEKÜSTE Die erste Etappe der zweiteiligen BELLEVUE-Ostsee-Tour führt entlang der Schleswig-Holsteinischen Küste von der Flensburger Förde über Schlei, Kieler Bucht und Fehmarn bis in die Lübecker Bucht | Grafik: Jochen Schäfers/Yamori

Nächste Ausfahrt Strand

Aus Hamburg kommend die erste Abfahrt Richtung Strand! Timmendorf heißt genau genommen Timmendorfer Strand und ist für Schleswig-Holsteins Ostsee das, was Sylt für die Nordsee bedeutet: sehen und gesehen werden. Die Fangemeinde ist dem eleganten Klassiker mit seinen hellroten Straßen absolut treu. Für sie kommt auch nichts anderes infrage. Hier werden die höchsten Grundstückspreise der Ostsee gezahlt. Es scheint sich auch zu lohnen, Bestandsimmobilien in Bestlage für viel Geld zu kaufen, abzureißen und durch feudale Neubauten zu ersetzen. Für Apartments mit Meerblick werden Quadratmeterpreise von 15.000 bis 17.000 Euro aufgerufen. Timmendorf ist eben Timmendorf. Auch Niendorf, schon seit 1945 eingemeindeter Ortsteil von Timmendorfer Strand, profitiert vom Image der mondänen Nachbarin und wird zunehmend exklusiver.

Letzter Halt: Travemünde. Zu Unrecht steht Travemünde immer noch im Ruf als etwas angestaubter Urlaubsort für Rentner. Das trifft definitiv nicht mehr zu. Neue Hotels und Apartmenthäuser sind entstanden oder werden gebaut. Und auch der Sprung über die Trave ist geglückt. Auf dem Priwall, einer zu Travemünde gehörenden Halbinsel, ist ein völlig neuer Ortsteil entstanden: die Priwall Waterfront. Über 500 Einheiten mit Hotel, Kongresszentrum, Beach club, Marina, Shops und Restaurants. Soweit im Schnelldurchlauf die wichtigen Orte und potentiellen Ferienhaus- Standorte an Schleswig-Holsteins Ostseeküste. Es lohnt sich, sie alle einmal „abzuklappern“. Die Chance, dabei positiv überrascht zu werden, ist nicht unwahrscheinlich.

IMMOBILIEN IN OSTSEE SCHLESWIG-HOLSTEIN (REGION)

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Claus-Peter Haller

ist Herausgeber von BELLEVUE.

BEL 03/22

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