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ILLUSTRATION: Tobias Rieger

Nur wer realistisch und risikoarm kalkuliert, wird die eigene Wohnung oder das eigene Haus auch wirklich genießen können. Es gilt dabei einiges zu beachten. Die Finanzierung sollte gut berechnet sein, und mögliche Risiken sollten frühzeitig bedacht und ausgeschlossen werden. In zehn oder 20 Jahren kann schließlich viel passieren. Am Anfang steht der Kassensturz. Wie viel darf oder kann oder soll ich für eine Immobilie ausgeben? Welche Belastung kann ich mir realistisch leisten? Und was bedeutet das für die Immobilienauswahl?

Es gibt einige Faustregeln und Rechenexempel, die sich durchaus bewährt haben und die auf diesen Seiten ausführlicher erörtert werden.

1. Regel: Realistisch rechnen

Seien Sie realistisch. Weder der Lottogewinn noch der erhoffte Geldsegen der Erbtante oder die seit Jahren fällige Gehaltserhöhung sollten in die Kalkulation einbezogen werden. Rechnen Sie mit dem, was Sie wirklich haben. Was zahlen Sie jetzt an Kaltmiete? Wie viel mehr Geld könnten Sie zusätzlich ausgeben? Als Faustregel gilt: Geben Sie ein Drittel, maximal die Hälfte Ihres monatlichen Nettoeinkommens fürs Wohnen aus – inklusive der laufenden Nebenkosten. Wenn man mehr als die Hälfte des Einkommens fürs Wohnen ausgibt, dreht sich alles nur noch ums Haus oder die Wohnung, und man hat dann keine Reserven mehr, um in den Urlaub zu fahren oder sich andere schöne Sachen zu gönnen.

2. Regel: Ausreichend Eigenkapital

20 Prozent Eigenkapital sollte man mit einbringen – durch Erspartes, Bausparvertrag, Lebensversicherung oder als Zuschuss von Eltern oder Großeltern. Ohne Sicherheiten und eigenes Geld hat man bei den Banken schlechte Karten.

3. Regel: Zinsen richtig einschätzen

Über die letzten 60 Jahre betrachtet lag der durchschnittliche Zinssatz ungefähr bei 5,5 Prozent. Daher gilt die Faustregel: Bei unter 5,5 Prozent sollte man eher langfristige, bei über 5,5 Prozent eher kurzfristige Verträge abschließen. Auch wenn die Zinsen innerhalb eines Jahres von ein auf rund vier Prozent (Stand: April 2023) gestiegen sind, sollten Darlehensverträge immer noch mit möglichst langer Laufzeit abgeschlos­sen werden. Wenn die Bank mitmacht, über 15 oder mehr Jahre.

4. Regel: Kauf-Nebenkosten einplanen

Nebenkosten nicht vergessen! Mak­ler, Notar, Grunderwerbsteuer – da kommen je nach Bundesland und mit Einbindung eines Maklers fünf bis zwölf Prozent an Kosten zum Kaufpreis hinzu. Außerdem braucht man bei jeder Immobilie noch Geld für kleine oder grö­ßere Veränderungen. Auch der Umzug und eventuell ein paar Monate Doppel­belastung aus alter Miete und neuem Dar­lehen kosten Geld.

5. Regel: Laufende Nebenkosten beachten

Die laufenden Nebenkosten für Strom, Heizung, Wasser, Abwasser, Grundsteuer, Versicherung, Müllabfuhr, TV, Telefon, In­ternet etcetera nicht vergessen! Kalkulieren Sie für die laufenden Nebenkosten rund drei Euro je Quadratmeter Wohnflä­che und Monat. Bleiben weitere Preis­explosionen wie 2022 aus, sollten Sie mit dieser Kalkulation auf der sicheren Seite sein.

6. Regel: Abzahlung bei Renteneintritt

Planen Sie Ihre Finanzierung so, dass Sie (wenn möglich, spätestens) mit Eintritt ins Rentenalter Ihre Immobilie abgezahlt ha­ben. Dann haben Sie im Alter nur noch die laufenden Nebenkosten der Immobilie sowie Kosten für Renovierungen und Re­paraturen zu berücksichtigen. Eine bessere Rente als die eigenen vier Wände gibt es nicht.

Fazit: Nicht um jeden Preis

So schön die eigenen vier Wände auch sind: Wer sich die finanziellen Belastungen für seine Wunschimmobilie nur dann leisten kann, wenn zum Beispiel beide Ehepartner auf Jahre in Vollzeit arbeiten und verdienen müssen, keinerlei unvorher­ gesehene Ereignisse dazwischenkommen dürfen oder die Tilgung maximal ein Prozent betragen darf, der sollte seinen ganzen Plan vom eigenen Heim unbedingt noch einmal sorgfältig überdenken und vielleicht doch nach einer anderen Lösung suchen.

WOHNEIGENTUM IN ZAHLEN

Wo liegen die Durchschnittswerte bei Darlehen, Käuferalter oder Wohnungsgrößen?

Interessante Fakten rund um den Immobilienkauf

Finanzierungssummen - Fast 350.000 Euro beträgt die durchschnittliche Finanzierungssumme beim Immobilienkauf in Hamburg. In Bayern sind es noch 330.000 Euro. Aufgrund der deutlich niedrigeren Immobilienpreise betragen die Darlehenssummen in Thüringen und Sachsen-Anhalt im Schnitt deutlich unter 200.000 Euro.

Eigentumsquote in Deutschland - 96 Prozent der Rumänen leben in den eigenen vier Wänden, in Spanien oder Griechenland sind es immerhin noch 75 Prozent. Im europäischen Vergleich der Wohneigentumsquoten belegt Deutschland mit 51 Prozent vor der Schweiz (49 Prozent) den vorletzten Platz. Ist von Eigentumsquoten die Rede, bitte nicht verwirren lassen – es gibt nämlich zwei davon, die „haushaltsbezogene“ und die „personenbezogene“. Die haushaltsbezogene Eigentumsquote liegt in Deutschland bei ungefähr 45 Prozent, das heißt: 45 Prozent aller Haushalte besitzen selbst genutztes Wohneigentum. Die personenbezogene Wohneigentumsquote, die die Anzahl der Personen misst, welche im selbst genutzten Wohneigentum leben, fällt höher aus und liegt in Deutschland bei knapp 51 Prozent. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass die durchschnittliche Größe von Eigentümerhaushalten, oft Familien, höher ist als die typische Größe eines Mieterhaushaltes, in dem tendenziell eher Singles oder Paare ohne Kinder leben.

Durchschnittsalter beim Immobilienerwerb - Hier gibt es bundesweit keine allzu großen Unterschiede. Mit 38,1 Jahren sind die durchschnittlichen Käuferinnen und Käufer in Sachsen-Anhalt am jüngsten, in Berlin mit 41,9 Jahren am ältesten.

Saarland ist Hochburg der Wohneigentümer - Im Südwesten Deutschlands ist die Eigentumsquote am höchsten: im Saarland 59 Prozent, in Rheinland-Pfalz 52 Prozent und in Baden-Württemberg immerhin noch 50 Prozent. Am niedrigsten ist die Eigen- tumsquote in den Stadtstaaten Berlin (16 Prozent) und Hamburg (21 Prozent).

Rund 41 Millionen Wohneinheiten gibt es in Deutschland - Gut die Hälfte davon (rund 21 Millionen) befindet sich in den mehr als drei Millionen Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen. Die Mehrheit wohnt also in Mehrfamilienhäusern. Die etwas kleinere Hälfte verteilt sich auf rund 19 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser.

Eigentümer haben mehr Platz als Mieter - Die durchschnittliche Pro-Kopf-Fläche beträgt in einer Eigentumswohnung 53 Quadratmeter, in einer Mietwohnung 44 Quadratmeter. Insgesamt verfügt jeder Deutsche im Schnitt über 47 Quadratmeter Wohnfläche. Vor 30 Jahren waren es noch knapp 35 Quadratmeter. Zukunftsforscher gehen davon aus, dass die Pro-Kopf-Wohnfläche aufgrund steigender Immobilienpreise künftig eher schrumpfen denn weiter wachsen wird.


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Claus-Peter Haller

ist Herausgeber von BELLEVUE.

RI 2023