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BRASILIEN: DIE SKYLINE VON RIO Rio ist berühmt für seinen Karneval. Weniger bekannt ist die deutschsprachige Gemeinschaft hier. Sie investiert in einen Immobilienmarkt, dessen Bandbreite verführerisch ist | FOTO: AdobeStock/marchello74

Das Jahr 2025 ist das Jahr, in dem Südamerika endgültig zum Projektionsraum für eine Generation von Europäern wird, die nicht mehr fliehen, sondern wählen. Immer mehr deutschsprachige Käufer – oft vermögend, oft suchend – richten den Blick nach Westen. Nicht, weil es billiger ist. Sondern weil dort ein anderes Leben wartet. Ein Leben, das nicht rationalisiert, sondern improvisiert wird. Ein Leben, in dem die Dinge – auch Immobilien – nicht nur einen Preis haben, sondern einen Klang, eine Geschichte, eine Verheißung.

Uruguay – Zwischen Zeitgefühl und Kapital

In Montevideo, dieser Hauptstadt mit dem Tonfall eines alten Tangos, steigen die Preise langsam, aber stetig. Noch gibt es Apartments in Carrasco, die für ein Drittel dessen gehandelt werden, was man in Palma oder Nizza zahlt. Doch der Wind dreht: Die Zahl der ausländischen Käufer ist in den letzten zwei Jahren um ein Drittel gewachsen. Punta del Este, diese Stadt aus Licht, Glas und Atlantik, die gerne als das St. Tropez des Südens beschrieben wird, bleibt das bevorzugte Ziel für jene, die sich etwas leisten können. Wer dort einen Blick auf den Ozean kauft, kauft auch Zeit. Die Preise steigen, langsam aber unausweichlich. Neue Projekte – Terrassenhäuser am Hang, architektonisch anspruchsvolle Villen mit Infinity Pools – wechseln für bis zu 4.800 Euro pro Quadratmeter die Besitzer. In Colonia del Sacramento, wo die Mauern noch portugiesisch atmen, sind es Menschen über fünfzig, die Ruhe suchen und Altbauten mit Patina bevorzugen. Hier kostet das Glück oft weniger als 2.000 Euro pro Quadratmeter.

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URUGUAY: DIE SKYLINE VON PUNTA DEL ESTE Das Land gilt als die Schweiz Südamerikas – nur mit Meereszugang. Aber: Die Preise haben Europa-Niveau | FOTO: AdobeStock/Fabian Schmiedlechner

Argentinien – Melancholie und Möglichkeit

Buenos Aires hingegen lebt vom Paradox. Die Gebäude sind grandios, die Preise niedrig. Ein Altbau in Recoleta kostet weniger als ein Reihenhaus in Hannover. Wer investieren will, findet hier einen Markt im Wandel, mit Chancen, die flüchtig sind wie ein Nachmittagslicht in San Telmo. Die politischen Umbrüche des letzten Jahres haben Reformen gebracht – neue Steuermodelle, erleichterte Eigentumsübertragungen. Für Käufer aus Europa ist die Stadt ein Kaleidoskop aus Melancholie und Möglichkeiten. Mietrenditen von bis zu 8 Prozent sind nicht selten. In Mendoza umspielen Rebstöcke die Architektur, in Bariloche verkauft man die Nähe zu Wäldern und Wind, und in Patagonien ist das Wort „Weite“ keine Metapher, sondern eine Landschaft, die sich in der Seele festsetzt.

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ARGENTINIEN: PANORAMABLICK INS VALLE DE CAFAYATE Das langgestreckte Land bietet vielfach unberührte Landschaften, große Freiheiten beim (Um-)Bauen - und eine große deutschsprachige Gemeinschaft | FOTO: AdobeStock/Guillermo

Brasilien – Rhythmus aus Farbe, Form und Verlangen

Wer sich weiter in den Norden wagt, trifft in Brasilien auf eine andere Form des Verlangens. Rio de Janeiro bleibt ein Mythos aus Kurven, Farben und Kontrasten. Ipanema und Leblon sind rar und teuer – bis zu 7.500 Euro pro Quadratmeter werden dort aufgerufen. São Paulo, das immer noch denkt wie eine Metropole und pulsiert wie ein Herz, zieht Investoren an, die urbane Substanz suchen. Und dann gibt es noch Bahia, Fortaleza, Florianópolis – Orte mit Palmen, Sand und dem Versprechen, dass man am Meer nicht nur Urlaub machen, sondern leben kann. Santa Catarina, das kleine Paradies mit deutscher Vergangenheit, bietet Villen am Wasser und eine Infrastruktur, die europäischen Standards nahekommt. In Balneário Camboriú steigen die Preise jedes Jahr im zweistelligen Bereich. Ein Penthouse mit Meerblick? Ab 300.000 Euro. Ein Leben im ewigen Frühling? Unbezahlbar.

Chile – Stabilität mit Tiefgang

In Chile hingegen spricht man leise über Immobilien. Die Stabilität des Landes hat sich wie ein feiner Schleier über den Markt gelegt. Santiago, die Hauptstadt, wächst in die Höhe und nach innen. In Providencia oder Las Condes entstehen Apartments, die zwischen 2.800 und 4.500 Euro pro Quadratmeter kosten – mit Concierge, mit Pool, mit Aussicht auf die Anden. In Valparaíso bröckelt die Farbe von den Fassaden, doch unter der Patina liegt ein kreatives Zentrum, das zunehmend Käufer anzieht, die mehr wollen als Luxus. Sie wollen Tiefe. Die chilenische Küste, weit, wild, fast unberührt, wird von jenen entdeckt, die sich absetzen wollen – nicht gesellschaftlich, sondern geografisch. In Viña del Mar sind die ersten internationalen Agenturen tätig und die Nachfrage nach Zweitwohnsitzen steigt um 12 Prozent pro Jahr.

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CHILE: DIE HAUPTSTADT SANTIAGO Ein Land zwischen Hochgebirge und Meer. Genauso kontrastreich sind die Investment-Optionen in dem wunderschönen Land | FOTO: AdobeStock/Marina Ianovska

Kolumbien – Vom Schatten ins Licht

Kolumbien, das lange im Schatten seiner Geschichte stand, lebt heute von seiner Gegenwart. Medellín, einst gefürchtet, heute geliebt, ist einer der am stärksten wachsenden Märkte des Kontinents. Die Preise sind moderat (1.200–2.000 €/m² in den gefragtesten Lagen), aber das Tempo ist hoch. Digitale Nomaden, Expats, Frühpensionierte: Sie alle zieht es hierher, weil das Klima mild, das Stadtbild grün ist und die Lebenshaltungskosten niedrig sind. In Cartagena, wo das Karibische Meer gegen Kolonialmauern schlägt, sind Luxusapartments inzwischen schwer zu bekommen. Neubauten werden oft noch vor Fertigstellung verkauft. Wer investiert, setzt auf Tourismus – Ferienvermietungen bringen Bruttorenditen von bis zu 10 Prozent.

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KOLUMBIEN: DIE STRASSEN VON CARTAGENA Noch ist die Kriminalität sehr stark – und ein Wirtschaftsfaktor. Mutige werden mit attrakiven Preisen belohnt | FOTO: AdobeStock/javarman

Ecuador – Gleichgewicht statt Gier

Vielleicht ist Ecuador das sanfteste aller Länder unter der Äquatorsonne. Es drängt sich nicht auf, sondern lässt sich finden – wie ein Buch, das man nicht sucht, aber nicht mehr aus der Hand legt. In Cuenca seinen Pflastersteinen, die von Geschichten glänzen, ist das Leben gemächlich, die Luft klar und die Nachfrage nach Immobilien stabil wachsend. Apartments in guter Lage gibt es ab 900 Euro pro Quadratmeter, Villen mit Garten ab 180.000 Euro. Die Expat- Community wächst, nicht laut, aber stetig. In Quito, der hochgelegenen Hauptstadt, mischt sich Moderne mit Anden-Nebel. Neubauten in nachhaltiger Bauweise werden hier besonders stark nachgefragt – Solarzellen, Wärmepumpen, grüne Innenhöfe. Die Preise steigen moderat: 3 bis 5 Prozent jährlich, vor allem in den höhergelegenen, sichereren Bezirken.

Der ecuadorianische Markt wird oft übersehen – ein Fehler. Denn das Land bietet, was viele suchen: gute medizinische Versorgung, freundliche Visa-Programme, niedrige Lebenshaltungskosten. In den Bergen blüht das einfache Leben, an der Küste, etwa in Salinas oder Manta, locken der Blick auf den Ozean – und Häuser ab 120.000 Euro.

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ECUADOR: BLICK AUF EL PANECILLO Hier ist Luxus noch eher die Ausnahme. Dafür punktet die Region mit liberalen Baugesetzen, was es auch dank niedriger Kosten relativ leicht macht, sich seinen ganz persönlichen Wohntraum zu bauen| FOTO: AdobeStock/ecuadorqerido

Paraguay – Freiheit als Währung

Weiter westlich, im Herzen des Kontinents, liegt ein Land, das man oft nur flüchtig wahrnimmt – und das gerade deshalb zum Geheimtipp wurde: Paraguay. Die Hauptstadt Asunción wirkt wie aus der Zeit gefallen, doch zwischen alten Kolonialvillen und neuen Townhouses entsteht ein Markt, der kaum reguliert und deshalb für Ausländer attraktiv ist. Immobilien kann man hier bereits ab 600 Euro pro Quadratmeter erwerben, in den grüneren nördlichen Zonen auch darunter. Es ist kein glamouröser Markt – aber einer, der beständig wächst, weil er einfach ist. Der Einwanderungsprozess ist unkompliziert, die Bürokratie überraschend effizient. Wer investieren will, braucht Geduld, aber wird belohnt: Landbesitz, Weitläufigkeit, ein entschleunigtes Leben mit unter 1.000 Euro im Monat – hier keine Utopie, sondern Alltag.

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PARAGUAY: DIE SKYLINE VON ASUNCIÓN Ein Land im Aufbruch. Die Immobilienpreise sind in den letzten beiden Jahren deutlich gestiegen, aber immer noch günstig. Und eine Aufenthaltsgenehmigung ist weiterhin einfach zu erhalten | FOTO: AdobeStock/Peter Heckmeier

Peru – Das Erwachen der Vielfalt

Und dann ist da Peru. Vielgestaltig, widersprüchlich, zutiefst berührend. Zwischen Pazifik und Anden, Regenwald und Hochland, entfaltet sich tastend ein spannender Immobilienmarkt. Die Hauptstadt Lima, oft unterschätzt, hat sich zu einem Hotspot der internationalen Nachfrage entwickelt. Besonders in Stadtteilen wie Miraflores, Barranco oder San Isidro steigen die Preise spürbar – in Miraflores liegen sie inzwischen bei 2.200 Euro pro Quadratmeterfür Neubauten mit Meerblick. Die Stadt wird urbaner, strukturierter, internationaler. Ferienimmobilien sind hier keine Investitionen mehr, sondern Wohnentwürfe auf Zeit.

Cusco, von Geschichte durchdrungen, ist die Stadt, in der das Mystische architektonisch wird. Die Nachfrage wächst vor allem bei jenen, die Nähe zur Natur und kulturelle Tiefe suchen. Die Preise sind noch moderat – um die 1.000 bis 1.400 Euro pro Quadratmeter – doch Experten erwarten in den kommenden Jahren zweistellige Wachstumsraten, auch weil sich hier eine kleine, aber kaufkräftige Expat-Community etabliert. In Arequipa, wo Vulkane die Silhouette zeichnen, ziehen koloniale Stadtvillen und moderne Lofts gleichermaßen Käufer aus Nord- und Zentraleuropa an. Die Stadt bietet mediterranes Flair, gute medizinische Versorgung und einen Immobilienmarkt, der sich gerade erst professionalisiert.

An der nördlichen Küste, in Máncora, dem Surfmekka Perus, sind Ferienhäuser mit Blick aufs Meer noch für unter 300.000 Euro zu haben – nicht für lange, denn internationale Hotelketten und Investoren haben die Gegend längst entdeckt. Die Nachfrage nach Grundstücken steigt rapide, neue Projekte entstehen. Hier ist nicht nur der Pazifik in Bewegung. All das geschieht leise. Kein medialer Hype, keine PR-Kampagnen. Die Bewegung, die hier stattfindet, beginnt im Herzen. Menschen kaufen keine Häuser, sie kaufen einen Rhythmus. Eine neue Art zu leben. Eine neue Temperatur für die Seele. Sie fragen nicht mehr: Wie groß ist das Grundstück? Sondern: Wie weit ist der Blick?

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PERU: KÜSTENBLICK AUF LIMA Ein Land mit spektakulärer, teils recht rauer Landschaft – und einem Immobilienmarkt, der sich erst in Entwicklung befindet | FOTO: AdobeStock/christian vinces

Ein Kontinent der Möglichkeiten

Und während in Europa die Quadratmeterpreise steigen wie der Puls in einer überfüllten Stadt, bleibt Südamerika ein Kontinent der Möglichkeiten. Noch. Denn in fast allen genannten Märkten gibt es Zeichen der Verknappung: Gute Lagen werden rar, Baugrundstücke teurer, Genehmigungen strenger. Gleichzeitig investieren immer mehr professionelle Käufer – nicht nur Auswanderer, sondern auch Family Offices, Privatbanken, Projektentwickler. Das Spiel hat begonnen.

Manchmal, wenn der Sommer zu lange bleibt und der Winter nicht kommen will, träumt man von einem Ort wie Patagonien. Nicht vom wilden Wind allein, sondern vom weiten Himmel, der sich wie ein Versprechen über die Anden spannt. Dort, wo Argentinien seine südlichsten Räume öffnet, entstehen neue Rückzugsorte – nicht spektakulär, aber still. Bariloche, eingerahmt von Seen und schneebedeckten Gipfeln, entwickelt sich zur heimlichen Bühne für jene, die das Unverfügbare suchen. Luxusvillen am Wasser, gebaut aus Stein und Glas, kosten hier zwischen 400.000 und 1,2 Millionen Euro. Es ist nicht nur das Naturerlebnis, das zieht – es ist die Gewissheit, dass man hier sein kann, ohne zu erklären, warum.

Die Nachfrage kommt oft aus Europa. Deutschland, Österreich, die Schweiz. Familien, die dem urbanen Rauschen entkommen wollen, Paare im dritten Lebensabschnitt, manchmal auch Einzelgänger mit Vergangenheit. Die politische Volatilität Argentiniens schreckt sie nicht mehr. Sie sehen Chancen, wo andere Risiken wittern. Sie erkennen: In Ländern, die atmen, entstehen Räume für die Zukunft.

Mendoza ist anders. Hier herrscht ein Licht, das selbst die Trauben zum Flüstern bringt. Weingüter, die von Malbec träumen und dabei ganze Landschaften veredeln, locken Käufer, die mehr als Rendite wollen – sie wollen Rituale. Die Region erlebt seit 2022 einen stillen Immobilienaufschwung. Boutique-Vinotheken, Landgüter mit Gästehäusern, nachhaltige Agro- tourismusprojekte: Wer heute investiert, kann mit 8 bis 12 Prozent Rendite rechnen – nicht nur finanziell, sondern emotional. Viele kaufen hier nicht zum Wohnen, sondern zum Sein. Die Quadratmeter liegen bei 900 bis 1.500 Euro für weingutnahes Land, gut angebunden. Was früher ein Abenteuer war, wird nun von Architekturbüros, Juristen und Dolmetschern begleitet. Es entsteht eine neue Klasse südamerikanischer Landadeliger – urbane Europäer mit Lust am Leben und Respekt vor dem Ort.

Gleichzeitig wandert der Blick der Investoren weiter gen Norden. Kolumbien – einst von dunklem Ruf, heute im hellen Aufbruch – zieht mit einer Energie, die nicht zu bändigen ist. In Medellín, einer Stadt, die den Wandel erfunden hat, steigen die Preise für zentrale Apartments um 6 bis 8 Prozent jährlich. Smarte Wohnungen mit Terrassenblick auf das grüne Tal kosten etwa 120.000 bis 250.000 Euro. In El Poblado oder Laureles wird gekauft, was atmungsaktiv und sonnendurchflutet ist. Der Boom der Digital Nomads hat hier Wohntrends ausgelöst: flexible Grundrisse, Co-Living, nachhaltige Materialien, Concierge-Services. Ein neuer Typ Stadtmensch ist entstanden – halb Nomade, halb Investor, ganz Gegenwart.

Cartagena, das karibische Juwel, lebt vom Widerspruch. Koloniales trifft auf touristische Dynamik, stille Hinterhöfe konkurrieren mit Rooftop-Bars. Die Altstadt bleibt ein Ort der Sehnsucht – und der Kapitalanlage. Apartments in renovierten Kolonialhäusern werden ab 2.000 Euro pro Quadratmeter angeboten, direkt am Meer deutlich teurer. Die Nachfrage ist hoch, vor allem durch Käufer aus den USA, Frankreich und zunehmend auch aus dem deutschsprachigen Raum. Die Renditen aus Kurzzeitvermietungen erreichen 9 bis 12 Prozent jährlich. Die Schattenseite: Genehmigungen werden restriktiver, Regularien komplexer. Wer hier investieren will, braucht Partner – und Geduld.

Doch Kolumbien überrascht. In Städten wie Santa Marta, am Fuß der Sierra Nevada, entstehen neue Projekte – umweltbewusst, leise, luxuriös. Villen mit Solartechnik, Wohnungen mit natürlicher Klimatisierung. Der Trend zur Nachhaltigkeit ist nicht Marketing, sondern aus Notwendigkeit geboren. Und das macht ihn glaubwürdig.

Rückkehr zur Seele des Wohnens

Man spürt es überall in Südamerika: Der Wandel ist kein ökonomisches Ereignis, sondern ein kulturelles. Die Menschen verändern sich, die Orte folgen. Wo einst der Rückzug das Ziel war, ist es heute die Verbindung. Und wo früher nur Aussteiger kauften, sind es heute Unternehmer, Architekten, Ärzte, Journalisten. Sie alle suchen dasselbe: Ein Zuhause, das sich nicht wie Besitz anfühlt, sondern wie eine Entscheidung. Der Kontinent antwortet darauf. Nicht immer laut, aber mit Tiefe. Der Immobilienmarkt ist dabei nur Oberfläche einer tieferen Bewegung: der Rückkehr zu einem Lebensgefühl, das nicht zählt, sondern spürt.

Wenn der Regen in den Gassen von Quito auf das rote Pflaster fällt, klingt es, als würde die Stadt atmen. In Ecuador, diesem Land der Vulkane und des Gleichgewichts, erleben Immobilienmärkte keinen Boom – sie fließen. In Cuenca, dem Lieblingsort deutschsprachiger Ruheständler, kosten gute Apartments zwischen 55.000 und 160.000 Euro, Villen am Hang um die 200.000. Es ist ein Markt, der nicht drängt, sondern empfängt. Die medizinische Versorgung ist erstaunlich solide, die Behörden kooperativ, das Klima mild und trocken, wie gemacht für Menschen, die Ruhe nicht als Abwesenheit von Lärm begreifen, sondern als inneren Zustand.

Quito selbst, diese Stadt in den Wolken, erlebt seit 2023 eine leise Wiederentdeckung durch europäische Käufer. Junge Familien mit Fernarbeitsverträgen, Rentner, die das Gletschergrau mit dem Äquatorsonnengelb tauschen wollen. Die Preise für Neubauwohnungen im Zentrum liegen bei 1.000 bis 1.400 Euro pro Quadratmeter, in besseren Lagen bei bis zu 1.800. Die Nachfrage ist stabil, getragen von einer langsamen, fast kontemplativen Migration: weniger Investoren, mehr Lebenskünstler.

In Paraguay dagegen, wo sich der Himmel wie ruhiger Atem über das Flachland legt, regieren andere Gesetze. Hier zählt nicht der Preis, sondern der Plan. Immobilien gibt es zu Preisen, die im restlichen Südamerika längst vergessen sind: Grundstücke für 10.000, Häuser ab 45.000 Euro. In Asunción, der ruhigen Haupt-stadt mit tropischem Versprechen, entstehen neue gated communities nach europäischen Standards – angezogen vom günstigen Steuerklima, dem unbürokratischen Aufenthaltsrecht und dem niedrigen Lebenshaltungskostenindex.

Viele der Käufer hier – Deutsche, Schweizer, auch Österreicher – sind Auswanderer mit Weltbild und Werkbank, Bauern mit App-Entwicklungsverträgen, Lehrerinnen mit Online- Schülern. Sie kommen nicht, weil Paraguay sie ruft – sondern weil es sie lässt. Immobilienbesitz ist rechtlich klar geregelt, Währungsstabilität wird durch den Dollarbezug gestützt. Doch der wahre Wert liegt in der Freiheit, in der Möglichkeit, eine neue Welt zu bauen, ohne die alte abschneiden zu müssen.

Peru, lange Zeit der stille Beobachter, beginnt sich zu rühren. In Lima, dieser Stadt zwischen Wüste und Ozean, steigen die Preise langsam, aber stetig: im Zentrum durchschnittlich 1.800 Euro pro Quadratmeter, bis zu 2.500 in den noblen Küstenvierteln Miraflores und Barranco. Dort entstehen Mikroapartments für digitale Nomaden ebenso wie großzügige Penthäuser für Familien mit Sinn für Kunst und Weitblick. Der Immobilienmarkt ist offen, die Rechtslage stabil, die Nachfrage zunehmend international.

In Cusco entstehen Boutique-Residenzen in Kolonialgebäuden – eine Mischung aus Geschichte und Gegenwart, von deutschen Architekten restauriert, von peruanischen Investoren gefördert. Preise ab 70.000 Euro, touristisches Vermietungspotenzial von bis zu 10 Prozent pro Jahr. Was einst Pilger anzog, zieht heute Kapital. Nur stiller.

Und weiter nördlich, in Máncora, liegt das Meer wie eine ausgestreckte Hand vor der Tür. Kleine Strandhäuser mit Palmdach, nachhaltige Resorts aus Bambus und recyceltem Lehm – die neue Nachfrage ist jung, umweltbewusst und urban geprägt. Europäische Käufer interessieren sich für Projekte mit Solaranlagen, Brunnenrechten und CO₂-neutraler Bilanz. Es sind nicht nur Träumer, die hier kaufen. Es sind Gestalter, die ihren Traum selber bauen.

Und so ergibt sich ein südamerikanisches Mosaik aus Immobilienmärkten, das keine Linie kennt, aber viele Farben. Uruguay mit seinem Vertrauen, Argentinien mit seinem Hunger, Brasilien mit seinem Übermaß, Chile mit seiner Ernsthaftigkeit, Kolumbien mit seiner Neugier, Ecuador mit seinem Gleichgewicht, Paraguay mit seinem Raum, Peru mit seiner Ahnung.

Jede Nation ein Kapitel, jeder Markt ein Rhythmus. Die Immobilienpreise steigen in den Städten, fließen auf dem Land. Die Käufer kommen aus Europa, aber bringen andere Erwartungen mit: Sie suchen nicht nur ein Haus, sondern einen Sinn. Nicht nur Rendite, sondern Resonanz.

Die Märkte antworten mit Möglichkeiten. Punta del Este wird teurer, aber auch vielfältiger. Buenos Aires bleibt volatil, aber offen. São Paulo zeigt sich urban resilient, Medellín wird zum Modell der Zukunftsstadt. Und überall dort, wo noch vor wenigen Jahren Skepsis war, entstehen heute neue Narrative – von Wohnen, von Teilen, von Sein.

Die Zukunft – Ein anderes Licht

Man könnte sagen: Südamerika hat verstanden, dass man den europäischen Traum nicht importieren muss. Es genügt, ihm ein anderes Klima zu schenken, eine andere Sprache, ein anderes Licht. Die Häuser tragen andere Dächer, aber in ihren Wänden hallt dieselbe Sehnsucht: nach einem Leben, das weiter atmet als Excel-Zeilen und steueroptimierte Wochenenden.

Die Zukunft des Wohnens in Südamerika ist weiblich, sinnlich, poetisch – wie die Sprache, in der man über sie spricht. Es ist ein Ort, der nicht ruft, sondern wartet. Der sich nicht aufdrängt, sondern offenbart. Und wer bereit ist, nicht nur zu kaufen, sondern zu bleiben – der wird in Südamerika nicht nur ein Dach finden, sondern ein Zuhause.

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Gerhard Rodler

Chefredakteur

BEL 06/25