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Grafik: iStock/sorbetto

Ob in TV-Spots, an U-Bahnhaltestellen oder auch in Zeitungen und Zeitschriften – das Thema Immobilienverrentung ist allgegenwärtig. Und es hat naheliegende Gründe, warum Teilverkauf und Co. aktuell im Trend liegen: Obwohl man den Hauptteil seines Lebens gearbeitet hat, reicht die eigentliche Rente oft nicht aus, um sich größere Wünsche zu erfüllen, die Enkel beim Studium zu unterstützen oder die Kinder zu Lebzeiten großzügig zu beschenken.

Genau hier bietet die Verrentung eine neue Chance. Naja, so neu ist das Thema eigentlich nicht. Die Geschichte der Immobilienverrentung reicht schon sehr weit zurück. Während sich das Segment hierzulande erst etabliert, gehören unterschiedliche Modelle in Großbritannien und den USA längst zum Alltag. Die Rente durch die eigene Immobilie aufzubessern, läuft dort unter dem plakativen Slogan „Eat your brick“ („Iss deine Steine“). Nun könnte man meinen, es mache doch viel mehr Sinn, die eigene Immobilie zu beleihen. Doch de facto vergeben viele Kreditinstitute ab einem bestimmten Alter keine Darlehen mehr – auch wenn sich das in Einzelfällen gerade wieder etwas ändert.

Janine Hardi, Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Immobilienrecht, erklärt erst einmal Grundsätzliches: „Ein Kunde, der bei der Bank ein Darlehen aufnehmen kann, ist kein Verrenter.“ Hardi weiß, wovon sie spricht. Gemeinsam mit ihrem Mann Boris Hardi, einem Diplom-Immobilienwirt und Sachverständigen, hat sie die Plattform RentePlusImmobilie.de gegründet – ein unabhängiges Portal für die Immobilienverrentung. Seit einem Jahr arbeitet ihr Team intensiv daran, mehr Transparenz in diesen boomenden Markt zu bringen. Das ist schon allein deswegen absolut notwendig, weil die Klientel zumeist doch recht betagt ist. Da ist objektive Aufklärung sozusagen erste Bürgerpflicht. „Es gibt deutschlandweit rund acht Millionen Immobilien, die für eine Verrentung in Frage kommen. Und auch wenn er noch in den Kinderschuhen steckt, dieser Markt hat immenses Potential“, erklärt die Expertin.

Der Siegeszug der Verrentung erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass das Rentensystem in Deutschland vermehrt deutliche Lücken offenbart. Angesichts der stetigen Teuerungsraten könnte eine Vielzahl künftiger Ruheständler finanziell in die Bredouille kommen, wäre da nicht die eigene Immobilie. Doch entgegen dem erwähnten Slogan kann man Steine zwar nicht essen – aber zu Geld machen. Es dürfte also kein kurzfristiger Trend sein.

„Es gibt deutschlandweit rund acht Millionen Immobilien, die für eine Verrentung in Frage kommen. Auch wenn er noch in den Kinderschuhen steckt, dieser Markt hat immenses Potential.“

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Janine Hardi

Geschäftsführerin RentePlusImmobilie

Dennoch will die Entscheidung, sein Haus oder die eigene Wohnung ohne üblichen Komplettverkauf zu liquidieren, wohlüberlegt sein. Immobilienverrentung ist ein komplexes Feld, um das sich vermehrt auch die klassischen Makler bemühen. Doch der Teufel steckt wie so oft im Detail. Daher bietet RentePlusImmobilie.de bald Fortbildungs-Webinare an. Denn „die Schwierigkeit liegt darin, dass die einzelnen Modelle nicht wirklich gut miteinander zu vergleichen sind“, resümiert Hardi, „auch wenn das gerne gemacht wird. Es kommt immer auf die individuelle Lebenssituation an.“ So ist bei der Leibrente zum Beispiel das Alter des Verkäufers maßgeblich, wenn es um die Höhe der monatlichen Bezüge geht. Und zumeist sind die Erlöse bei einer lebenslangen Rente insgesamt niedriger als bei einer zeitlich begrenzten Lösung. Doch abgesehen von der monetären Seite gibt es auch in Sachen Rechte und Pflichten erhebliche Unterschiede – zum Beispiel bei der Instandhaltung der Immobilie.

Um einen Einblick in das Thema zu geben, haben wir die gefragtesten Modelle auf den folgenden Seiten kurz skizziert. In den kommenden Ausgaben werden wir anhand konkreter Beispiele zeigen, wie sich diese Modelle rechnen. Denn wie bereits erwähnt, ist es von der individuellen Situation abhängig, ob man mit einem Teilverkauf besser fährt als mit einem lebenslangen Wohnrecht oder ob die Leibrente geeigneter ist. In jedem Fall ist von einem voreiligen Entschluss abzuraten. Noch ein letzter Tipp: Profitieren Sie davon, dass sich die Verträge flexibel gestalten lassen. Einen Standardvertrag gibt es nicht. Alles ist Vereinbarungssache.

Wohnrecht

Das steht dahinter:
Im Falle des Verkaufs hat der Berechtigte bei diesem Modell ein lebenslanges Wohnrecht – kann die Immobilie sein ganzes Leben lang also selbst bewohnen, ohne noch der Eigentümer zu sein. Das Wohnrecht wird vom Kaufpreis abgezogen und endet erst mit dem Ableben des Berechtigten. Es wird als beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen und regelt damit das Verhältnis des Berechtigten zum Grundstück – unabhängig von anderen Personen. Das beinhaltet auch, dass das Wohnrecht bestehen bleibt, wenn die Immobilie verkauft wird. Die eingetragene Dienstbarkeit wirkt dann auch gegenüber einem möglichen neuen Eigentümer. Das Wohnrecht ist in der Regel unentgeltlich, jedoch kommt der Inhaber des Wohnrechts in der Regel für die Strom- und Heizkosten auf. Als Faustregel kann gelten, dass vom Wohnrechtsberechtigten diejenigen Kosten zu tragen sind, die nicht durch die Immobilie selbst, sondern erst durch die Nutzung derselben entstehen.

Zu beachten ist, dass die Vereinbarung über ein lebenslanges Wohnrecht einer notariellen Beurkundung bedarf und eine Besteuerung anfallen kann, wenn der Fiskus den Sachverhalt wie eine Schenkung betrachtet.

Mögliche Vor- und Nachteile
➕ In der Regel kaum entgeltliche Pflichten für den Wohnrechtsinhaber
➖ Mieteinnahmen durch Vermietung nicht möglich
➖ Übertragung der Rechte nicht möglich

Anbieter
Privatpersonen über Makler, institutionelle Anbieter


Nießbrauch

Das steht dahinter:
Hier erfolgt der Immobilienverkauf unter dem Vorbehalt einer lebenslangen (oder zeitlich befristeten) Nutzung durch den vorherigen Eigentümer. Aus dem Verkauf erhalten Sie eine Geldsumme und ein Nießbrauchrecht auf die Immobilie. Von diesem Nutzungsrecht ist die eigene Nutzung, aber auch die Vermietung an Dritte umfasst. Somit bleibt beim Nießbrauch als Immobilienverrentung der Verkäufer wirtschaftlicher Eigentümer der Immobilie.

In der Regel erhält der Verkäufer eine Einmalzahlung direkt nach dem Verkauf. Im Unterschied zum Wohnrecht darf der Eigentümer in dem Haus oder der Wohnung nicht nur wohnen, sondern er darf die Räumlichkeiten auch vermieten. Dies hat den großen Vorteil, dass der Nießbraucher sich zum Umzug in ein Pflegeheim, zu den Kindern etcetera entscheiden und die Immobilie dennoch weiter in Form der Vermietung für sich nutzen kann. Ebenso wie beim Wohnrecht muss für die Wirksamkeit des Nießbrauchs dieser im Grundbuch eingetragen werden. Und wie beim Wohnrecht ist der Nutzer der Nießbrauchrechte dafür verantwortlich, kleinere Reparaturen an der Immobilie vorzunehmen. Größere Reparaturen muss der Immobilieneigentümer tragen. Achtung: Wer im Rahmen des Nießbrauchs Mieteinnahmen erhält, muss diese eventuell versteuern.

Mögliche Vor- und Nachteile
➕ finanzielle Absicherung durch Vermietung bei eigenem Auszug
➕ Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs möglich
➖ Veräußerung oder Übertrag des Nießbrauchs nicht möglich

Anbieter
Unter anderem Makler (zum Beispiel HausPlusRente), Privatpersonen


Leibrente

Das steht dahinter:
Beim Immobilienverkauf gegen Leibrente verkauft der Eigentümer sein Eigenheim (oftmals auch im Vorlauf zum späteren Erbe an die eigenen Kinder). Er bleibt allerdings weiterhin darin wohnen und erhält ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht, das ihn dazu berechtigt, weiterhin in der Immobilie wohnen zu bleiben. Das Wohnrecht wird in der Regel bis zum Tod des Verkäufers vereinbart. Je nach Absprache zahlt der Käufer den vereinbarten Kaufpreis in monatlichen oder jährlichen Raten bis zum Lebensende oder in Form einer höheren Einmalzahlung plus einer geringeren monatlichen Zahlung. Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach dem Immobilienwert und dem Alter des Verkäufers bei Vertragsabschluss.

Nach dem Tod des Verkäufers geht das Immobilieneigentum komplett auf den Käufer über. Es gibt unterschiedliche Modelle der Leibrente, die sich hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarungen stark unterscheiden können. Ein großer Vorteil der Leibrente ist, dass der Käufer die Immobilie aus seiner laufenden Liquidität bezahlen kann und keine Bankfinanzierung benötigt. Die Konstruktion bietet auch Optionen zur Steueroptimierung. Voraussetzung für den Leibrentenvertrag ist eine notarielle Beurkundung.

Mögliche Vor- und Nachteile
➕ lebenslanges Wohnrecht in gewohnter Umgebung
➕ lebenslange Zahlung möglich
➕ Pflichten werden geteilt (Instandhaltung, Gebühren etc.)
➖ gefordertes Mindestalter des Verkäufers in der Regel über 65 Jahre

Anbieter
Unter anderem Stiftungen, Privatpersonen


Teilverkauf

Das steht dahinter:
Beim Immobilien-Teilverkauf wird nicht das komplette Objekt veräußert, sondern lediglich ein Teil (zum Beispiel 20 oder 50 Prozent – je nachdem, wie viel Liquidität benötigt wird). Dieses Geld steht sofort zur Verfügung. Der Käufer wird zum stillen Teilhaber des Objektes, während der ursprüngliche Eigentümer weiter in der Immobilie wohnt oder sie vermietet. Für ihn wird im Grundbuch ein Nießbrauch eingetragen, der die vollumfängliche Nutzung der Immobilie gewährleistet. Teilverkäufe sind sowohl bei Häusern als auch bei Wohnungen und Grundstücken möglich. Ein Teilverkauf kommt in der Regel dann in Frage, wenn die gewünschte Auszahlungssumme die noch bestehende Restschuld übersteigt. Je nach Ausgestaltung des Vertrages kann auch ein späterer Rückkauf vereinbart werden. Achtung: Bei Immobilienverkäufen kann eine Spekulationssteuer anfallen. Diese wird auf die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften gezahlt.

Mögliche Vor- und Nachteile
➕ mehr finanzielle Freiheit durch Sofortzahlung
➕ Entscheidungshoheit über die eigene Immobilie
➕ Möglichkeit der Vermietung
➕ Hohe Flexibilität bei der Vertragsgestaltung
➖ monatliche Nutzungspauschale fällt an

Anbieter
Institutionelle Anbieter wie zum Beispiel EV LiquidHome, Deutsche Teilkauf und andere


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Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

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