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Foto: ©iStock/Fokusier
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Patrick Breuer

Mitgründer und Geschäftsführer des Proptechs mietshausverkaufen.de, einer Plattform für die Direktvermittlung von Renditeimmobilien

pro plusImmobilienanleger wurden in den letzten Jahrzehnten mit günstigen Zinsen verwöhnt. Durch 100-Prozent-Finanzierungen mit günstigen Konditionen entstanden attraktive Renditen. Dieser Attraktivität standen keinerlei konkurrierende Kräfte gegenüber, und so entstand sogar beim kleinsten Anleger ein Kaufrausch. Als Folge entwickelten sich selbst Immobilien in peripherer Lage überdurchschnittlich gut. „Lage, Lage, Lage“ – ein gängiger Spruch von Immobilieninvestoren – hatte seine Bedeutung verloren. Dieses Marktumfeld verändert sich nun bedeutend. Grund dafür ist der rapide Anstieg der Hypothekenzinsen. Die Kombination aus steigender Inflation, Unsicherheit über die Entwicklung der Leitzinsen und die Aussicht auf ein niedriges Wirtschaftswachstum sind für bereits überbewertete Anlagen meistens Auslöser für eine Krise beziehungsweise eine bedeutende Preisveränderung.

Eine Verdopplung der Zinsen innerhalb weniger Wochen ist eine große Veränderung für den Markt. Die Folge sind ausbleibende Verkäufe oder teilweise negative Renditen. Es zeichnet sich eine Diskrepanz zwischen Verkäufern und Käufern ab. Bei einer internen Analyse haben wir festgestellt, dass eine Verdopplung der Zinsen faktisch eine Verschlechterung des Cashflows von rund 20 Prozent der Warmmiete bedeutet. Diese Verschlechterung lässt sich laut unseren Berechnungen nur durch eine bis zu 25-prozentige Preisreduktion vermeiden. In der Praxis stellen wir bereits reduzierte Preisangebote von bis zu 15 Prozent fest, welche von Käufern mit hohem Fremdkapitaleinsatz getrieben sind. In den kommenden Monaten werden weitere Gegenkräfte entstehen und Druck auf die Preise ausüben. Diese Kräfte sind etwa die neuen Eigenkapitalanforderungen an Banken, steigende Attraktivität von alternativen Investments (Anleihen, Festgelder, Sparbücher etc.), ein höheres Angebot an Immobilien aufgrund von (Not-)Verkäufen der Eigentümer mit anstehender Anschlussfinanzierung und Druck auf energetische Sanierungen. Wir erwarten schon, dass die Kleinanleger vom Immobilienmarkt größtenteils verschwinden und somit Verkäufe zu überteuerten Preisen nicht mehr stattfinden.

Eben diese Faktoren sorgen für einen zunehmend stärkeren Druck auf die Renditen und somit für sinkende Immobilienpreise. Die Höhe der Reduzierung steht insbesondere in Abhängigkeit von der weiteren Zinsentwicklung und der Reaktion von großen Investoren.

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Dr. Bernhard Bauer

Geschäftsführer der SIS-Sparkassen-Immobilien, eines der größten Maklerhäuser Münchens mit bester Expertise für alle Immobilienangelegenheiten

contra minusEin Blick in die viel zitierte Glaskugel ist immer eine Herausforderung. Trotzdem möchte ich auf diese Frage mit einem überzeugten „Nein“ hinsichtlich der Wohnimmobilien antworten. Steigende Zinsen müssen nicht zwangsläufig ein starkes Sinken der Immobilienpreise nach sich ziehen. Insbesondere im Hinblick auf die Metropolregion München erkenne ich nicht, dass die Preise in absehbarer Zeit merklich sinken werden.

Aktuell steigen nach einer langen Niedrigzinsphase die Finanzierungzinsen inflationsbedingt sprunghaft an, was den Immobilienmarkt in der Tat bewegt. Denn dieser Aufwärtstrend wirkt sich insbesondere auf Baufinanzierungen aus. Langfristig ist zu bedenken, dass mit steigender Inflation wahrscheinlich auch die Zinskonditionen weiter ansteigen. Mit den steigenden Kreditzinsen müssen potentielle Käufer auch mit einem Anstieg der monatlichen Kreditraten rechnen. Derzeit kommen deshalb viele Interessenten auf uns zu, die jetzt noch Eigentum erwerben möchten, bevor die Tilgungsraten zu hoch werden. Mit steigenden Zinsen beobachten wir, dass sich die Anzahl an Kaufinteressenten verringert, da Zinsen und Eigenkapital nicht
ohne Weiteres für jeden leistbar sind.

Auf der anderen Seite sind wir in der Metropolregion München und auch in vielen weiteren attraktiven Gegenden in Deutschland in der Situation, dass auf nahezu jedes angebotene Objekt eine Vielzahl an Kaufinteressenten kommt. Wir haben dann nicht mehr 100 Interessenten für eine Zwei-ZimmerWohnung, sondern nur noch 40. Und diese potentiellen Käufer haben durch ihr Einkommen oder eine Erbschaft ausreichend Kapital, um auch bei steigenden Zinsen die derzeitigen Marktpreise zu entrichten. Für diese Kunden sind eher Kriterien wie Lage und Ausstattung entscheidend – solange das zu den individuellen Vorstellungen passt, spielt der Preis nicht mehr die alles entscheidende Rolle.

Da es nicht an Interessenten mangeln wird, werden auch die Immobilienpreise trotz steigender Zinsen nicht merklich sinken. Ich erwarte hier vielmehr eine Seitwärtsbewegung mit Tendenz zum leichten Anstieg der Preise.