1_FSIF03905.jpg
Foto: Westend61/fStop Images/Sven Hagolani

Als der Gutachterausschuss Berlin die Umsatzzahlen für 2021 bekannt gab, sah alles noch wirklich gut aus. Ein Plus von 14 Prozent (27.646) bei den Kauffällen gegenüber dem Vorjahr und ein sattes Plus von 28 Prozent auf 23,86 Milliarden Euro im Vergleich zu 2020 beim Umsatz – die Vorzeichen standen eher auf „Party on“ als auf „Schluss mit lustig“. Vor allem im Segment Wohn- und Teileigentum war der Anstieg mit 18 Prozent (Kauffälle) und 35 Prozent (Umsatz) immens. Zu Beginn des Jahres 2022 schien sich dieser Trend auch fortzusetzen. Bis dann … naja, der Rest ist bekannt.

Als ob jemand – wie man so sagt – hart in die Eisen gestiegen ist, präsentiert sich der Markt aktuell weitgehend im Stillstand. Nicht wenige sehen ihn sogar bereits in einer Abwärtsspirale. Doch zu den mitunter doch recht unterschiedlichen Einschätzungen der Makler später mehr. Die Halbjahresbilanz des Gutachterausschusses liest sich jedenfalls deutlich verhaltener. Zwölf Prozent weniger Kauffälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, ein Prozent weniger Umsatz und vor allem im Bereich von Wohn- und Teileigentum klar rückläufige Tendenzen. Niemand kann verlässlich sagen, ob das erst der Anfang von Nachfrage- und Preisrückgängen ist, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch.

Katerstimmung nach der Party?

In der letzten Dekade hat Berlin richtig Gas gegeben. Es gab nachhaltig positive Entwicklungen durch zahlreiche Neuansiedlungen und dauerhaften Zuzug. Keine Wiederholung der Situation Mitte der 1990er-Jahre, als Berlin arm, aber sexy war und jeder in die Hauptstadt pilgerte, um sie kurze Zeit später wieder zu verlassen. Stetig und kräftig stiegen die Preise. Plötzlich gab es nicht mehr für jedes Portemonnaie ein Viertel oder ein Plätzchen zum Wohnen. Das Umland rückte in den Fokus. Abgesehen von der Stadt selbst waren Standorte entlang der S-Bahn-Linien gefragt. Jedes Jahr neue Erfolgsmeldungen, was erzielbare und tatsächlich erzielte Kaufpreise anging. Dazu der „Brandbeschleuniger“ Pandemie – die Maklerschaft hatte nur punktuell Grund zur Klage. Und das in einer Stadt, die als höchstes Lob „Da kannste nich’ meckern“ zu vergeben hat. Ausnahme ist die leidige Diskussion um die fragwürdige Politik der Hauptstadt in Sachen Bauen und Wohnen.

Doch mit diesen rosigen Zeiten könnte es erst einmal vorbei sein. Diesbezüglich bleiben zwei Zitate dieser Interviewrunde im Gedächtnis: „Persönlichkeiten der Szene warnten schon länger, dass die Party zwar noch laufe, es an der Bar aber keine Getränke mehr gäbe.“ Eine wunderbare Zusammenfassung. Zudem resümierte ein Experte: „Die Welt ist eine andere. Das gilt auch für den Immobilienmarkt – und eben auch für Berlin.“

Allerdings dürfte angesichts der veränderten Situation niemand den Kopf in den Sand stecken. Selbst bei stagnierenden oder sogar leicht rückläufigen Zahlen befinden sich die Preise in Berlin noch immer ungefähr auf dem Niveau von 2020 – was objektiv gesehen nicht wirklich niedrig ist. In einem Satz: Bei rund 200 Prozent Plus in den vergangenen 15 Jahren dürfte eine Preiskorrektur von 15 bis 20 Prozent nach unten zu verkraften sein. Darüber hinaus stünde gerade dem Berliner Immobilienmarkt nach Jahren des Booms ein wenig Normalität ohnehin gut zu Gesicht.

Käufer haben plötzlich Auswahl

Klar, nach dem drastischen Zinsanstieg hat sich eine große Zahl an Käufern vorerst aus dem Markt verabschiedet. Zu restriktiv sind die Banken inzwischen bei der Vergabe der Kredite, zu hoch wären die monatlichen Belastungen. Wer kann schon die doppelte Rate für einen Kredit aufbringen? Dies hat auf der anderen Seite aber Vorteile für diejenigen, die über ausreichend Eigenkapital verfügen und in der jüngsten Vergangenheit nicht zum Zuge kamen. Diese Klientel kann nun aus dem Vollen schöpfen, weil das Angebot – vor allem im Bereich der Bestandsimmobilien – in der Zwischenzeit deutlich zugenommen hat.

Ausnahme ist der Neubau, bei dem unterschiedlichste Faktoren zusammenkommen. Wurde in den letzten Jahren ohnehin schon zu wenig gebaut, kommen nun auch noch die gestiegenen Bau- und Energiekosten hinzu, was nicht wenige Bauträger und Projektentwickler veranlasst hat, ihre Vorhaben zum Teil erst einmal auf Eis zu legen. Abgewickelt werde oft nur noch das, was „durchprojektiert“ ist. Diese Situation verknappt das ohnehin geringe Angebot zusätzlich. Insgesamt, so heißt es, sei das alles sehr schwer zu kalkulieren. Und auch die preislichen Folgen sind kaum abzusehen. Festzuhalten bleibt, dass im hochpreisigen Bereich deutlich einfacher und schneller investiert wird, wenn die Eckdaten passen. Denn das Geld, das in den letzten Jahren im Markt unterwegs war, ist nicht plötzlich verschwunden. Potentielle Käufer würden jetzt einfach noch genauer hinschauen und auch mal Angebote unter dem geforderten Kaufpreis abgeben, wird berichtet. Das allerdings gilt wohl nicht nur für den Neubau.

Unterschiedliche Beurteilung der Situation

Waren sich die Berliner Makler in den vergangenen Jahren immer weitgehend einig, was die Situation der unterschiedlichen Teilmärkte angeht, differieren die Meinungen in diesem Jahr zumindest mit Blick auf die Zukunft doch stark. Dass die Zeiten schwierig sind und die Angebote die Nachfrage in den meisten Segmenten übersteigen, bestätigen alle. Doch gerade wenn es um die Entwicklung der Preise geht, herrscht weitgehend Uneinigkeit. Während einige mit einer Seitwärtsbewegung in den gefragten Quartieren und womöglich leichten Rückgängen in den zuletzt gepushten Trendvierteln oder in Randlagen rechnen, sehen andere die Fortsetzung der bereits heute erkennbaren Reduzierungen. In jedem Fall gilt es gerade den Verkäufern klarzumachen, dass im Himmel über Berlin kein Jahrmarkt mehr ist.

Berlins Sogwirkung bleibt

Doch so schwierig sich die Situation auch darstellt, am Standort Berlin kommen bei keinem der Experten Zweifel auf. Die Party werde weitergehen, heißt es. Wenn auch mit Verzögerung, deren Dauer allerdings niemand so recht einschätzen mag, und mit weniger Dynamik als zuletzt. Die Prognosen liegen zwischen Mitte und Ende 2023.

Fakt ist, dass das internationale Renommée der Hauptstadt, das im europäischen Vergleich weiterhin sehr niedrige Preisniveau und die Wohnungsknappheit Begehrlichkeiten wecken, die befriedigt werden wollen – trotz der geradezu investorenfeindlichen Politik. Ein Experte bringt es auf den Punkt: „Berlin ist Chaos pur, zieht aber immer noch unheimlich. Hier muss man einfach hin.“

Berlin in Zahlen

Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Bauzahlen – interessante Hintergrundinfos zur Hauptstadt

19,5 Millionen Übernachtungen registrierte das Statistikamt für die ersten neun Monate des Jahres in der Hauptstadt. Damit besuchten rund 7,6 Millionen Gäste Berlin, was eine Steigerung von 146,1 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum bedeutete. Allerdings waren es auch 27,4 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019.

25.500 Euro pro Quadratmeter betrug nach aktuellen Angaben des Gutachterausschusses Berlin der höchste Preis, der für eine Eigentumswohnung im laufenden Jahr bezahlt wurde. Bei der Immobilie handelte es sich um eine Neubauwohnung mit rund 350 Quadratmetern Wohnfläche zwischen Oranienburger Straße, Friedrichstraße, Monbijoupark und Spree. Grundlage waren die bis zum 25. Oktober ausgewerteten Kaufverträge.

5. Platz für Berlin in Sachen Nachhaltigkeit – das besagt der „Sustainable Cities Index 2022“ von Arcadis. Das Unternehmen untersuchte insgesamt 100 Metropolen aus 47 Ländern nach Indikatoren wie Treibhausgasemissionen, nachhaltigem Verkehr und Abfallwirtschaft oder Umweltbelastung. Das Ergebnis: Berlin ist die nachhaltigste Großstadt in Deutschland. An der Spitze: Oslo vor Stockholm, Tokio und Kopenhagen.

27.646 Kauffälle wurden dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin im Jahr 2021 übermittelt. Im Jahr 2020 waren es 24.242 – ein Plus von gut 14 Prozent. Das Transaktionsvolumen lag mit 23,9 Milliarden Euro gut 27,8 Prozent über dem des Vorjahres (2020: 18,7 Milliarden Euro). Damit wurde ein neuer Höchstwert erreicht.

15.870 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg fertiggestellt – ein Minus von 2,9 Prozent gegenüber 2020 und über 16 Prozent weniger als 2019. Vom eigentlichen Ziel des Berliner Senats, bis 2030 jährlich im Schnitt 20.000 Wohnungen zu bauen, ist man weit entfernt. Brancheninsider gehen davon aus, dass die 2022er-Zahl durch die aktuelle Krisensituation sogar noch niedriger ausfallen dürfte.

41 Immobilienfirmen aus der Metropolregion Berlin wurden für das Jahr 2023 mit dem begehrten BELLEVUE-Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet.


„Die Wirtschaftlichkeit vieler Unternehmen wird auf die Probe gestellt. Vorausschauendes Handeln und auch Mut sind gefragt.“

Kensington_Nick_Wiesinger_Berlin_Pankow.jpg
Nick Wiesinger

KENSINGTON Berlin-Pankow

„Die Nachfrage in Berliner Toplagen ist nach wie vor hoch. Die Mikrolage in den Bezirken ist hier entscheidend.“

vP_Sibylle_Lunkenheimer.jpg
Sibylle Lunkenheimer

VON POLL IMMOBILIEN Berlin-City-West

„In den kommenden Monaten wird es sicherlich zu Schwankungen kommen, die vorteilhaft genutzt werden können.“

Thamm_Alexander_Althammer.jpg
Alexander Althammer

Thamm & Partner

„Bei steigenden Zinsen sind ein umfassender Zinsvergleich und passgenaue Finanzierungslösungen wichtiger denn je.“

Thomas_Straub_VP_Finance.jpg
Thomas Straub

VON POLL Finance

„Der Markt in und um Berlin ist in besten Lagen immer noch sehr gefragt. Kunden sind jedoch wählerischer.“

vP-CarmenRoloff_Lichterf.jpg
Carmen Roloff

VON POLL IMMOBILIEN Berlin – Nikolassee

„In dieser Situation fährt man mit bewährten Lagen gut. Auch in Berlin wird es Preisrückgänge geben, aber insgesamt moderat.“

BSK_Immobilien_Pretzel_-_hochkant.jpg
Sabrina Pretzel

BSK Immobilien

„Viele Interessenten haben ihre Kaufentscheidung aufgeschoben, aber der Inflationsschutz bleibt natürlich auch ein Thema.“

StrategisMichael_Elst.jpg
Michael Elst

STRATEGIS

„Berlin wird mit seinen vielfältigen Stärken auch in Zukunft weiter bei Investoren und Bauträgern punkten.“

Best_Place_Danny_Wolf.jpg
Danny Wolf

Best Place Immobilien

„Bis Frühsommer war der Berliner Markt fast unbeeindruckt von der Krise. Seit August arbeiten wir in einer anderen Immobilienwelt.“

Dirk_Wohltorf.jpg
Dirk Wohltorf

Wohltorf Immobilien

„Wohn- und Geschäftshäuser innerhalb des S-Bahn-Rings sind das, was derzeit gesucht ist. Der Anlagedruck ist immens hoch.“

Engelhardt_Patricia_Aurich.jpg
Patricia Aurich

Engelhardt Immobilien

„Wir sehen für das nächste Jahr viele Opportunitäten für den Immobilienankauf und attraktive Projekte, die sich daraus ergeben.“

JAAS_Gruppe_Richard_Jensch.jpg
Richard Jensch

JAAS Gruppe

„Wir rechnen kurzfristig nicht mit Preisabschlägen in Berlin. Interessant ist, dass die Zielgruppe der Käufer etwas älter wird.“

Accentro_Schriewer_Lars.jpg
Lars Schriewer

ACCENTRO

Lagen und Preise zum Immobilienkauf in Berlin

Grafik Lagen Berlin_Lagen_210x208_Neu.jpg

Eine Metropole mit vielen verschiedenen Märkten

In keiner deutschen Stadt muss man derart auf den Mikrostandort achten wie in Berlin. Den einen Immobilienmarkt gibt es nicht. Es sind höchst unterschiedliche Märkte

Grafik Preise Berlin.jpg
Grafiken: Jochen Schäfers/Yamori
Grafik Preisentwicklung Haus Berlin_Haeuser_2023.jpg

Ein- & Zweifamilienhäuser: +158% seit 2012

In der letzten Dekade sind die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in Berlin extrem gestiegen. Der Schnitt liegt nun bei fast 800.000 Euro

Grafik Preisentwicklung Grundstück Berlin_Grundstuecke_2023.jpg
ANMERKUNG Aufgrund von Stichprobenunterschieden können die ermittelten Durchschnittswerte zum Teil deutliche Abweichungen enthalten. Es handelt sich bei den Daten nicht um normierte Kaufpreismittel, die die Unterschiede in den Stichprobenmerkmalen mit Umrechnungskoeffizienten ausgeglichen haben.

Wohnbaugrundstücke: weiterer Anstieg

Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Wohnbaugrundstücke von Ein- und Zweifamilienhäusern hat 2022 noch einmal um 12,8 % zugelegt

Grafik Preisentwicklung Kauf ETW Berlin_Kaufpreise_2023.jpg

Neubau-ETW: noch 3,5% Plus in 2022

2012 lag der Durchschnittspreis für Neubau-Eigentumswohnungen bei 3.480 Euro/m2, 2022 bei 7.548 Euro/m2 – ein Anstieg von rund 117 %


Sven_Heinen.jpg

Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

BEL 01/23