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FOTO: AdobeStock/Adrian

Im eigenen Auto sitzend, rattert der Sylt-Shuttle der Deutschen Bahn über den Hindenburgdamm. Links und rechts – Verzeihung – Backbord und Steuerbord, Schlick und Salzwiesen. Zumindest bei Ebbe. Einfach mal mitten durch den Nordteil des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Warum ist die Insel eigentlich über einen Damm mit dem Festland verbunden? Warum gibt es einen Autozug? Und warum ist es warm und die Sonne scheint von einem stahlblauen Himmel herunter? Fragen über Fragen, die einem gerade durch den Kopf gehen. Nun ist es ja nicht so, dass dies der erste Besuch auf der Insel ist. Allerdings liegt der letzte schon eine ganze Weile zurück. Zugegeben, die Vorfreude ist größer als man dachte. Sylt eben doch immer was von Sommerferien.

Und irgendwie geht es gleich weiter wie im Urlaub. Ein morgendlicher Cappuccino in der Kleinen Teestube im idyllischen Keitum, ein Zwischenstopp in dem noch recht neuen Bistro-Restaurant Strandhafer Sylt in Wenningstedt und ein Abendtermin im BeachHouse in Westerland bei aufgedrehter Instrumentalmusik „Biscaya“ von James Last) donnert zum Sonnenuntergang aus den Boxen. Ganz ehrlich, so ein Redakteursjob kann mitunter echt hart sein …

Doch wir sind nicht (nur) zum Spaß auf Deutschlands beliebter Ferieninsel. Es geht um die Bestandsaufnahme des kleinen, aber sehr feinen Immobilienmarktes zwischen List und Hörnum.

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KEITUMER IDYLL Der wohl ursprünglichste Ort auf der Insel ist geprägt von historischen Friesenhäusern, kleinen Straßen und herrlichen Sichtachsen. Das „Schmuckkästchen“ von Sylt ist überaus beliebt | FOTO: AdobeStock/pkazimierczak

Markt im Wandel – zwischen Sehnsuchtsort und Preisrealität

Fein ist der Immobilienmarkt in jedem Fall – das dürfte außer Frage stehen. Aber ist klein die korrekte Bezeichnung? Gemessen an der Größe der Insel trifft die Aussage sicher zu, aber wenn man den Aussagen verschiedener Experten Glauben schenken mag, dürfte der Wert der aktuell angebotenen Immobilien locker über 500 Millionen Euro liegen. Nicht schlecht für eine Insel, die nicht einmal 15.000 Einwohner hat und flächenmäßig gerade einmal so groß ist wie die Stadt Mainz.

Und auch in Sachen Spitzenpreise rangiert die nordfriesische Ferieninsel in Deutschland ganz oben. Quadratmeterpreise im deutlich fünfstelligen Bereich und reetgedeckte Anwesen, bei denen zweistellige Millionenbeträge eher die Regel als die Ausnahme sind – damit hat sich Sylt in den letzten Jahren (oder sind es gar schon Jahrzehnte?) weltweit einen Namen gemacht.

Allerdings ist die Realität derzeit ein wenig anders gelagert. Aussagen wie „Der Umsatz ist um die Hälfte zurückgegangen“, „Alles, was nicht in der ersten oder zweiten Reihe steht, verliert aktuell im Preis“, oder „Es gibt zum Teil unmoralische Angebote, weil doch sehr viel auf dem Markt ist“ unterstreichen die momentane Situation. Es gilt es jedoch auch, diese in der richtigen Relation zu sehen. Dass das Angebot ungewöhnlich groß ist, dürfte unstrittig sein. Zu den Gründen später mehr.

Was die Preise angeht, so rächt sich jetzt die Rallye während der Corona- und Niedrigzinsphase. Gerade im Segment der hochwertigen Objekte ist der direkte Verkaufsdruck nicht gegeben und die Angebote werden mit Preisvorstellungen offeriert, die der Markt nun nicht mehr hergibt. So hält man zumindest die Vorstellung eines Top-Niveaus aufrecht. Kein Wunder, dass der Markt derzeit eher als zäh zu bezeichnen ist und sich die Vermarktungszeiten für Sylter Verhältnisse doch deutlich verlängert haben. Zudem darf man nicht außer Acht lassen, dass die Bodenrichtwerte auf Sylt im vergangenen Jahr erstmals flächendeckend zurückgegangen sind – selbst in Wattlagen.

Dass sich diese Gesamtsituation demnächst wieder ändern wird, davon gehen alle auf der Insel aus. Und wer jetzt verkaufen „muss“, macht eben etwas weniger Gewinn als geplant. Ein Verlustgeschäft ist eine Immobilie auf Sylt wohl eher selten. Dafür ist die Insel zu sehr DER Sehnsuchtsort, die Insel, auf der man etwas besitzen möchte – sei es nun eine Wohnung oder ein stilvolles Haus unter Reet.

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HART AM WIND Die Sylter Westküste bietet je nach Wetterlage die komplette Palette an Strandfeeling – von sturmumtosten Spaziergängen bis zu sonnigen Tagen im Strandkorb | FOTO: AdobeStock/Frank H

Ferienvermietung, Nachfrage, Zukunft – was den Markt wirklich bewegt

Angefangen bei der allgemeinen Unsicherheit und Kaufzurückhaltung, die allerdings deutschlandweit – oder womöglich weltweit – zu beobachten ist, fallen bei Sylt vor allem zwei Punkte ins Gewicht. Zum einen das Thema der Ferienvermietung. Ob eine Immobilie als Dauerwohnung, als Zweitwohnsitz oder als Ferienwohnung zugelassen beziehungsweise genehmigt ist, hat immense Auswirkungen auf ihren Wert und letztlich den Preis. Weitgehend preisstabil zeigen sich, so berichtet ein Makler, eigentlich nur Zweitwohnsitze. Bei Ferienwohnungen spiele der Ertragswert eine übergeordnete Rolle – gerade was die Einschätzung der Bank angehe. Zudem ist die Situation um die nicht genehmigte oder langjährig geduldete Vermietung an Feriengäste, sagen wir, in höchstem Maße ungeklärt. Kein Wunder, dass der Markt im Zusammenspiel mit den höheren Zinsen und dem noch instabilen Preisniveau eher von der bereits erwähnten Zurückhaltung geprägt ist. Bei Eigennutzern im Bereich von Objekten über zwei Millionen Euro ist der Kauf eher Liebhaberei und die Immobilie ein „nice to have“. Hier spielen eine Vermietung sowie eine Finanzierung durch die Bank eine untergeordnete Rolle. Leider ist aktuell oft auch der Drang, kaufen zu wollen, nicht allzu groß. Ausnahmen stellen selbstverständlich außergewöhnliche Objekte oder Unikate dar.

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IMMOBILIEN Das Angebot, selbst im Bereich der reetgedeckten Häuser, ist aktuell größer als in den vergangenen Jahren | FOTO: AdobeStock/Katja Xenikis

Zum Schluss noch ein paar Antworten

Übrigens, die eingangs gestellte Frage nach dem Wetter lässt sich nicht so leicht beantworten. Gar nicht so selten ist es auch auf Sylt sonnig und warm. 2024 registrierte der Deutsche Wetterdienst zum Beispiel für List 300 Stunden Sonnenschein. Und zwischen Mai und September des vergangenen Jahres lagen die Höchstwerte auf der Insel regelmäßig über 24 Grad Celsius. Leichter ist die Frage nach der Anbindung über den Damm zu beantworten. Innerhalb von vier Jahren erbaut, wurde der ausschließlich für den Eisenbahnverkehr errichtete Hindenburgdamm am 1. Juni 1927 eröffnet. Der Grund war die vor allem im Winter durch Witterung, Strömung und sich auftürmendes Eis beschwerliche und langwierige Anreise vom Festland. Fünf Jahre nach dem Bau des Damms wurden die ersten Kfz mit dem Zug transportiert. Seit 1950 dürfen die Passagiere in ihren Fahrzeugen sitzenbleiben. Seit 1960 gibt es reine Autozüge. Selbstverständlich ist Sylt auch über eine Fähre oder mit dem Flugzeug zu erreichen. Mitunter geht das schneller. Denn gerade in Ferienzeiten kann die Anreise mit dem Shuttle auch heute noch beschwerlich und langwierig sein …

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Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

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