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Foto: ©iStock/Fokusier
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Karsten Scheffelbein

ist Mitgründer der Creativa in Essen und als geschäftsführender Gesellschafter verantwortlich für die 
Baufinanzierungsvermittlung

pro plusImmobilienmakler sind nicht ursächlich für die teils explo-sive Preisentwicklung am Immobilienmarkt verantwortlich. Grundlagen sind billiges Baugeld und der Anlagenotstand durch Null- und Negativzinsen. Gleichwohl sehe ich viele Makler als Preisbeschleuniger. So mancher wirbt offensiv damit, das „Maximale“ aus einem Objekt herauszuholen, also die 100-prozentige Interessenvertretung des Verkäufers. Ziel: der Alleinauftrag. Ein Beispiel aus einem kürzlich gefundenen Inserat: „Nicht mehr ganz dicht? Egal, ich verkaufe jedes Haus ...“


Als Baufinanzierungsvermittler erleben wir täglich den zunehmenden Druck, der auf unsere Kunden von vielen Maklern ausgeübt wird:

  • Besichtigung nur mit verbindlicher Finanzierungsbestätigung. Dass diese bankseitig nur abgegeben wird, wenn neben dem Kunden auch das Finanzierungsobjekt geprüft werden konnte – geschenkt. Aber schon damit geraten Kunden in die Defensive als Bittsteller.
  • Unvollständige Unterlagen. Unsere Kunden erhalten maklerseitig selten vollständige Objektunterlagen. Wer danach fragt, bekommt
  • Zeitdruck. Es gibt andere Bewerber. Wer zuerst zusagt, gewinnt. Bei so einer Vorgehensweise ist es für Kunden unmöglich, sich solide mit dem Objekt zu befassen („Zweiter Blick“) oder die sanierungsbedürftige Immobilie gar mit einem Sachverständigen zu begutachten.
  • Keine Reservierung. Auch mit Bonitätsbescheinigung wird heute selten eine Reservierung angeboten. Stattdessen
  • Bieterverfahren. Psychologisch effektiv, aber rechtlich völlig ungeregelt und intransparent schaffen solche Verkaufsstrategien das notwendige Klima für den noch schnelleren Vertragsabschluss. Interessentenwettbewerb verleiht Flügel. Wer ihn gewinnen will, soll bitte keine lästigen Fragen nach Unterlagen oder Genehmigungen stellen, denn dafür ist jetzt nicht die Zeit.


Es handelt sich hier um praktische Berufserfahrungen. Zum Glück gibt es vorbildliche Immobilienmakler, die trotz der Marktdynamik keine Kompromisse bei der seriösen Ausübung ihres Berufs zulassen.

Die Verkaufstricks vieler Makler gepaart mit der befremdlich laschen Gesetzgebung (wie kann es etwa sein, dass sich die meisten Makler von der Richtigkeit des Exposés durch Haftungsausschluss freikaufen?) haben aber aus meiner Sicht aus einem dynamischen einen gehypten Markt zu Lasten oft überforderter Käufer gemacht.

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Sven R. Johns

ist Rechtsanwalt bei Mosler+Partner Rechtsanwälte in Berlin und ehemaliger Bundesgeschäftsführer des Immobilienverbandes IVD

contra minusDer alte Reflex, nach dem Makler ohnehin immer an allem schuld sind, schlägt aktuell wieder zu: hohe Immobilienpreise, zu wenig Angebot, zu hohe Nebenkosten beim Kauf, zu wenig Mietwohnungen – und dass in Deutschland nicht genug gebaut wird, liegt bestimmt auch an den Immobilienmaklern. Diese Sichtweise geht komplett an der Realität, an den Aufgaben eines Maklers und an den Gegebenheiten am Immobilienmarkt vorbei und grenzt schon fast an Polemik.

Hier ein paar Fakten und Denkanstöße: Immobilienmakler verkaufen nicht, sie vermitteln die Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrages zwischen Eigentümer und Käufer. Im Einigungsprozess kommt es darauf an, ob eine gute Nachfrage nach einer Immobi-
lie besteht oder eben nicht. Hohe Nachfrage führt tendenziell zu höheren Preisen. Einfach, oder? Eine Parallele zu den Zwangsversteigerungen, bei denen heute oft zu 130 Prozent oder mehr des Verkehrswertes der Zuschlag erteilt wird. Immobilienverkäufe ohne Makler müssten demzufolge deutlich günstiger sein als solche mit Makler. Das ist aber nicht der Fall. Eine Immobilie im ländlichen Raum, die aktuell von einem Makler für 75.000 Euro angeboten wird, hat in den letzten neun Monaten keinen Käufer gefunden. 
Hat der Vermittler den Preis in diesem Fall auch getrieben? Der am häufigsten von Eigentümern genannte Grund, nachträglich einen Makler einzuschalten, ist der, nicht genug Interessenten gefunden zu haben. Warum? Weil der Preis der Immobilie falsch angesetzt oder die Immobilie nicht aussagefähig aufbereitet worden ist. Warum vermitteln immer mehr Immobilienmakler eine Immobilie mit einer reinen Verkäufer-Provision? Warum liegt der Anteil der in vielen Städten über Makler angebotenen Immobilien bei über 
70 Prozent? Weil Makler für einen reibungslosen Verkauf sorgen, den Preis richtig ansetzen, so dass auch die Bank eine Finanzierung bewilligt und die Unterlagen richtig aufbereitet.

Zu guter Letzt zeigt eine Auswertung von ImmobilienScout24, dass ein Einfamilienhaus in Ulm 16 Tage im Internet angeboten und dann aus dem Netz genommen wurde. Die Nachfrage war so hoch, dass eingehende Kaufanfragen nicht mehr bearbeitet werden konnten. Dies ist kein Einzelfall. Makler brauchen den Preis nicht zu treiben, er steigt in den meisten Fällen allein durch die immense Resonanz.