Immobilien-Marktreport Stuttgart 2018: Der Druck steigt
Wer in Stuttgart eine Immobilie sucht, ist nicht zu beneiden. Von einer echten Auswahl kann man nicht sprechen. Und Änderungen sind nicht in Sicht

Außergewöhnliche Situation am Neckar
Es war eigentlich wie immer. Besser gesagt wie immer seit etwa zwölf Jahren. Stuttgart ist heiß. Im Kessel steht die Luft. Die Baustellen wollen offenbar nicht weniger werden und damit auch nicht die Aufenthalte in den täglichen Staus. Und wie alle zwei Jahre schauen die Menschen in den Bars und Restaurants nebenbei Fußball - sei es nun die Europa- oder die Weltmeisterschaft. Business as usual.
Nur etwas ist dieses Mal anders. Man jubelt nicht der deutschen Nationalmannschaft zu, denn die hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedet. Kroatien steht diesmal höher im Kurs. Kein Wunder, bei der großen Gemeinde in Stuttgart.
Ähnlich präsentiert sich der Immobilienmarkt in der Stadt. Quasi alles beim Alten, resümieren die meisten Experten. Riesige Nachfrage, die nur selten wirklich zu befriedigen ist. Druck vor allem im mittleren Segment - dort, wo so viele suchen. Und etwas Entspannung im Topsegment. Ach ja, das Angebot sei bekanntlich immer dünn gewesen. Aber auch da ist dieses Mal etwas anders. Ganze 63 Kaufverträge für Eigentumswohnungen hat der Gutachterausschuss im ersten Quartal 2018 verzeichnet. 63 - für ganz Stuttgart.
Sicher, ein paar Package-Deals - also Komplettverkäufe von mehreren Wohnungen en bloc - seien dabei gewesen, heißt es, aber bislang habe man nie unter der 100er-Marke gelegen. Und auch wenn sich diese Zahl im weiteren Jahresverlauf relativieren sollte, alarmierend ist sie allemal. Und so fällt in den Gesprächen ein Satz nicht nur einmal: "Wer jetzt nicht verkaufen muss, tut es auch nicht. Selbst wenn der Zeitpunkt ideal ist, um satte Gewinne einzustreichen."
Die Situation ist schon ein wenig außergewöhnlich am Neckar.

Vier Probleme
Problem 1: die geografische Lage, die ein weiteres Wachsen der Stadt höchstens noch in der Höhe zulässt. Seit Jahren wird nachverdichtet, auf Teufel komm raus. Und größere Areale wie Stuttgart 21 oder auch das Rosensteinviertel und andere kleine Projekte werden punktuell für ein wenig der dringend benötigten Entspannung auf dem Miet- und Kaufmarkt sorgen. Doch das wird noch dauern, und letztlich wird es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.
Problem 2: die traditionell knappe Angebotssituation. Durch die Kessellage können nicht wie gewünscht die benötigten drei-, vier- oder fünftausend neuen Wohneinheiten pro Jahr errichtet werden. Hinzu kommt, dass seit Jahren immer weniger potentielle Verkäufer ihre Immobilie am Markt anbieten. Das liegt zum einen daran, dass viele nicht wissen, wie und wo sie das erzielte Geld vernünftig wieder investieren könnten, ohne sich selbst wieder auf die beschwerliche Suche nach einem adäquaten Objekt zu begeben. Zum anderen haben viele dieser möglichen Verkäufer gar keine Not, zu verkaufen.
Wer gut wohnt, bleibt in solchen Zeiten dort, wo er ist. Und zu guter Letzt sind nicht wenige Verkäufer schlicht von der Gier getrieben, die Preise könnten ja durchaus noch weiter steigen und man einen NOCH höheren Preis erzielen. Offiziell möchte sich niemand dahingehend zitieren lassen, doch dass die Preisvorstellungen zahlreicher Verkäufer zwischen überzogen und völlig unrealistisch liegen, sieht man schon, wenn man Objekte im Internet vergleicht. Diese überteuerten Angebote sorgen im Übrigen auch für Preissteigerungen.
Und erste Folgen sind hier auch erkennbar, denn es wird längst nicht mehr jede Preistreiberei mitgemacht, nicht mehr jeder Kaufpreis akzeptiert. Da wandert man lieber ins attraktive Umland ab, verkleinert sein Suchprofil oder entdeckt neue Lagen für sich. Zitat eines Experten dazu: „Es gibt Kunden, die es nicht einsehen oder es sich schlicht nicht leisten können, solche Summen zu bezahlen.“
Problem 3: Verkäufe „hinter“ dem Markt. Nicht selten sei der Nachbar der größte „Feind“ des Maklers, wird gesagt. Entweder kauft er, um sich zu vergrößern oder um den Umstand einer langfristigen Baustelle nebenan zu umgehen. Stilblüten, die nur eine extreme Marktsituation treiben kann.
Problem 4: wenn jeder das Gleiche sucht. Aktuell ist im ganz hochpreisigen Bereich, wie erwähnt, ein wenig Durchatmen angesagt. Die Kunden schauen sehr selektiv, und gerade bei sehr großen Einheiten haben sich die Vermarktungszeiten bei Kauf und Miete verlängert. Anders sieht es im Bereich von bezahlbaren Neubauwohnungen (400.000 bis 750.000 Euro) oder im Segment der Einfamilienhäuser um eine Million Euro aus. Entweder gibt es so gut wie kein Angebot, oder die Nachfrage ist so groß, dass praktisch keiner zum Zuge kommt.

Trend ins Umland
Die Folgen dieser Probleme sind inzwischen nachhaltig spürbar. Der Trend ins Umland ist mehr denn je spürbar. Wenn Anbindung und Infrastruktur vor Ort stimmen, sind Esslingen & Co. besonders für Familien eine mehr als nur überlegenswerte Alternative. Preislich bleibt dieser Klientel oft ohnehin keine Wahl. Wohnen in Stuttgart wird zum Luxusgut – könnte man es auf den Punkt bringen. Wer am Killesberg ein Haus sucht, braucht sich nicht auf den Weg zu machen, wenn er nicht mindestens zwei bis 2,5 Millionen Euro stemmen kann. Und das ist erst der untere Teil der Preisskala.
Zudem ist es offensichtlich, dass es im Kessel in absehbarer Zeit keine einfachen Lagen mehr geben wird. Analog zum Beispiel des beliebten Stuttgarter Westens, der vor fast 30 Jahren fast niemanden interessierte, oder dem innerstädtischen Bohnenviertel, entwickeln sich aktuell Standorte wie zum Beispiel Heslach oder auch Karlshöhe sehr positiv. Ausgestattet mit riesigem Potential, Halbhöhenlagen (Heslach) und trendigem Leben auf der Straße (Karlshöhe), aber noch immer behaftet mit Imageproblemen, könnten gerade solche Lagen als Gewinner aus dem Preisboom der A-Lagen hervorgehen.
Aber auch andere Kandidaten werden genannt, über die man mitunter noch immer die Nase rümpfen mag, wie Stuttgart-Ost oder Bad Cannstatt. Wie sehr die Schwabenmetropole im Umbruch ist, sieht man auch daran, dass es mittlerweile sogar im wenig angesagten Zuffenhausen Neubauten für über 6.000 Euro pro Quadratmeter in der Spitze gibt und dass für Häuser in Lagen wie Weil im Dorf Kaufpreise von 1,5 bis zwei Millionen Euro aufgerufen werden. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Wirtschaftsstärke macht attraktiv
Bei all den skizzierten und bekannten Problemen in Stuttgart darf man nicht vergessen, dass es sich – inklusive des Umlandes – um eine der begehrtesten und wirtschaftskräftigsten Regionen Deutschlands handelt. Stuttgart ist nicht nur Daimler, Porsche oder Bosch –, rund um die recht kleine Metropole befinden sich unzählige Weltmarktführer und finanzkräftige Mittelständler mit entsprechend gut bezahlten Mitarbeitern.
Da wundert die Preisrallye weniger. Nicht auszudenken, wenn Stuttgart auch noch einer größeren internationalen Nachfrage ausgesetzt wäre. Und in den Toplagen wie Killesberg, Degerloch oder Sillenbuch waren die Preise auch schon vor zehn, 15 Jahren immens. „Halbe Höhe, voller Preis“, titelte BELLEVUE damals – und das hat sich seitdem selbstverständlich nicht geändert, aber auch nicht extrem verschlimmert.
Wie gesagt, es ist eigentlich wie immer.