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DIE MENGE MACHT’S Nicht ein großer, sondern viele kleine Investoren – das ist die Grundidee des Crowdinvesting

Beim Crowdinvesting lässt sich schon mit kleinen Summen im großen Immobiliengeschäft mitmischen. Bereits ein Einsatz von einer Handvoll Euro kann mit Renditen von vier bis sieben Prozent pro Jahr vergoldet werden. BELLEVUE erklärt die Spielregeln dieses modernen Monopolys und gibt Antworten auf die elementaren Fragen.

Was ist Crowdinvesting?

Crowdinvesting wird meist als „Schwarmfinanzierung“ übersetzt. Die „Crowd“ ist die (Menschen-)Menge, die Internetgemeinde. Vor einigen Jahren begann im Netz das so genannte Crowdfunding. Organisationen oder Privatpersonen sammelten im weltweiten Web Geld für einen wohltätigen Zweck oder unterstützten eine originelle Idee. Beim Crowdinvesting hingegen geht es nicht um clevere Aktionen oder gute Taten, sondern um Erfolg versprechende Investitionen und lukrative Renditen. Schon mit kleinen Beträgen kann man sich auf den einschlägigen Internetplattformen an Geschäftsideen beteiligen. Eine zunehmend beliebter werdende Variante ist das Immobilien-Crowdinvesting. Mittlerweile sind über ein Dutzend Plattformen auf dem deutschen Markt aktiv, freuen sich über zweistellige Zuwachsraten und sollen pro Jahr dreistellige Millionensummen sammeln und investieren. Hier kann man sich für eine bestimmte Zeit an der Finanzierung von Immobilienprojekten beteiligen und bekommt dafür deutlich mehr Zinsen als auf dem Sparbuch. Wenn alles planmäßig klappt.

Welche Grundregeln gelten?

Für das Immobilien-Crowdinvesting gelten – vereinfacht dargestellt – folgende Regeln. Erstens: Zwischen dem Investor und der Crowdfunding-Plattform wird ein Privatdarlehen vereinbart. Das ist die rechtlich einfachste Form, es kann ohne Behördengänge, Notar oder Anwalt im Internet geschlossen werden. Zweitens: Die maximale Investitionssumme in ein Projekt beträgt 25.000 Euro pro Person. Drittens: Die Zielsumme der Crowd- investing-Plattform liegt in der Regel bei höchstens sechs Millionen Euro pro Projekt. Jedes Projekt, das öffentlich auf einer Plattform zum Investment zur Verfügung gestellt wird, muss regulatorisch freigegeben worden sein und unterliegt dann ähnlich wie Fonds, Aktien etcetera den Regeln oder der Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Wie funktioniert Crowdinvesting?

Bei angekündigten Renditen von fünf oder sechs, manchmal sogar sieben Prozent drängt sich als Erstes eine Frage auf: „Warum gehen die Darlehensnehmer nicht zur Bank? Das wäre doch viel günstiger.“ Die Erklärung funktioniert am besten anhand eines Beispiels: Ein Projektentwickler braucht für sein neues Bauvorhaben drei Millionen Euro. Seine Bank würde zwei Drittel davon finanzieren. Fehlt noch eine Million. 250.000 Euro bringt er aus eigener Tasche mit, fehlen noch 750.000 Euro. Um dieses auch für die Bankenfinanzierung entscheidende Eigenkapital nachzuweisen, musste der Developer in der Vergangenheit vermögende Privatleute, Family Offices oder Versicherungen für sein Projekt gewinnen – ein mühseliges Klinkenputzen.

Für institutionelle Anleger sind solche relativ kleinen Projekte kaum lohnend. Die Analyse eines Drei-Millionen-Bauvorhabens verursacht einen vergleichbar großen Aufwand wie ein 30-Millionen-Projekt. Ist schließlich ein Investor gefunden, lässt sich dieser Engagement und Risiko – sollte etwas schiefgehen, kommt er erst nach der Bank zum Zug – fürstlich honorieren. Diese „Mezzanine-Darlehen“ werden mit 15, 20 oder sogar mehr Prozent verzinst.

Immobilienprojekte, zu klein für einen Großanleger, aber passend für einen Schwarm von Kleinanlegern – das ist der typische Markt für mittelständische Projektentwickler und die Crowdinvesting-Plattformen.

Woran erkennt man ein gutes Projekt?

Laut Angaben der Crowdinvesting-Plattformen stehen die Developer von Bauvorhaben mittlerweile bei ihnen Schlange. Viele möchten ihre Bauvorhaben vom Internetschwarm finanzieren lassen, aber längst nicht alle schaffen auch den Sprung ins Online-Angebot. Die Crowdinvesting- Plattformen prüfen laut eigenen Aussagen sehr genau, wessen Projekte sie auf ihren Seiten präsentieren. Lage der Immobilie, Bonität, Erfahrung und Renommee des Projektentwicklers sowie die Marktchancen des Produktes sind wichtige Auswahlkriterien. Grundvoraussetzungen sind eindeutig geklärte Eigentumsrechte, Baugenehmigungen und Bankenfinanzierungszusagen sowie eine realistische Kosten- und Zeitplanung.

Einige Crowdinvesting-Plattformen haben eine Art Risiko-Ranking für ihre Projekte kreiert, zum Beispiel von A bis F. Diese Bewertung ist aber nur bedingt aussagefähig. Wie die Profis ihre Projekte wirklich einschätzen, verraten die Renditen. Je mehr Zinsen versprochen werden, desto höher ist das Ausfallrisiko.

Wie wird man Crowdinvestor?

Die Präsentation der Projekte im Internet ist bei den meisten Anbietern relativ ähnlich, Unterschiede gibt es bei den Konditionen. Bei einigen Plattformen ist man schon mit zweistelligen Summen dabei, bei anderen erst ab 1.000 Euro, meistens liegt das Minimuminvestment bei runden Summen wie 100, 250 oder 500 Euro. Auch die Laufzeiten der Darlehen sind unterschiedlich, bewegen sich zwischen zwölf Monaten und vier Jahren. Einheitlichkeit herrscht auch nicht bei den Zinszahlungen. Einige zahlen alle drei, andere alle sechs oder zwölf Monate die Zinsen, wieder andere erst nach Fertigstellung des Projekts. Hat man sich für ein Projekt und eine Investitionssumme entschieden, wird online ein Privatdarlehensvertrag geschlossen. Die meisten Investoren streuen ihr Kapital, setzen nicht auf ein Objekt, sondern auf mehrere. Am häufigsten werden Beträge zwischen 2.000 und 5.000 Euro investiert. Kommt ein Projekt nicht zustande, erhält der Investor in der Regel seinen vollen Einsatz zurück.

Welche Risiken gibt es?

Haben die Crowdinvesting-Plattformen ihre Jobs ordentlich gemacht und Projekt und Developer sorgfältig geprüft, bleiben noch zwei Risikofaktoren. Erstens: Der Bau wird nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt fertig oder überschreitet das geplante Budget. Zweitens: Die zum Verkauf stehenden Wohnungen der fertigen Immobilie lassen sich nicht zu den ursprünglich kalkulierten Preisen verkaufen. Die beschriebenen Risiken können gegebenenfalls Auswirkungen auf die Laufzeit des Investments haben, wenn zum Beispiel der Betrag nicht zur angekündigten Maximallaufzeit zurückgezahlt wird, sondern sich die Rückzahlung verschiebt. In diesem Falle wird aber zumeist zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Zinssatz auch noch ein Verzugszins berechnet, so dass die Anleger im Verzögerungszeitraum einen höheren Zins erhalten.

Auch wenn sich in jüngster Zeit die Sicherheitsposition der Anleger verbessert hat: Im Worst-Case-Szenario, der Insolvenz der Baufirma, kann der gesamte Einsatz verloren sein. Immobilien-Crowdinvestment ist eine spekulative Geldanlage. Das investierte Geld hat in den allermeisten Verträgen den Status eines Nachrangdarlehens. Dies bedeutet ein ähnlich hohes Risiko wie bei einer direkten Unternehmensbeteiligung. Einige, wenn auch nicht viele Crowdinvesting-Projekte mussten Konkurs anmelden.

Welche Crowdinvestment-Anbieter sind empfehlenswert?

Die Branche ist jung, neue Player kommen hinzu, ältere geben auf. Daher ist es schwer zu beurteilen, wer wirklich die bes- ten Pferde im Stall hat. Derzeit geht es den Plattformen vor allem darum, Bekanntheit zu erreichen und Marktanteile zu sichern. Man darf gespannt sein, wer sich am Ende durchsetzen wird.

Expertentipp

„RENDITETRÄCHTIG“

Andreas Zederbauer über die Anlageform Crowdinvesting

 

BELLEVUE: Was macht Crowdinvesting als Anlageform so interessant?

MAG. ANDREAS ZEDERBAUER: Sicher die hohen Zinsen. Bei dagobertinvest sind das derzeit acht bis zehn Prozent p.a., Tendenz steigend. Und man muss kein Börsen- oder Immobilienprofi sein, um zu investieren. Bei der immer noch sehr hohen Inflation sind renditeträchtige Anlageformen sehr bedeutsam, um den Wertverlust des Geldes abfedern zu können. Die Schere zwischen Inflationsrate und Zinsen auf klassische Sparformen geht immer noch weit auseinander.

In welche Projekte wird in der Regel investiert?

Auf unserer Plattform sind das derzeit ausschließlich Wohnimmobilien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, unter denen sich alle Anleger etwas vorstellen können. Also beispielsweise die Errichtung von Doppelhaushälften, einer Wohnhausanlage mit mehreren Wohnungen, aber auch die Revitalisierung eines Zinshauses, bei dem das Dachgeschoss ausgebaut wird.

Welche Chancen und Risiken gibt es, und wie sollen Erstinvestoren damit umgehen?

Die große Chance sind hohe Erträge im Vergleich zu herkömmlichen Anlageformen, Risiken stellen Verspätungen oder Ausfälle dar. Investoren sollten daher von Anfang an auf eine gute Diversifizierung ihres Portfolios achten und nur Geld investieren, das sie nicht für den Bedarf des täglichen Lebens benötigen.

KONTAKT 
dagobertinvest, Wien,
Vorstand Mag. Andreas Zederbauer,
Tel. 0800 400 04 60,
ww.dagobertinvest.de


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Claus-Peter Haller

ist Herausgeber von BELLEVUE.

RI 2023