Moderne Zeiten in Österreich
Typisch Österreich, so ein Vorurteil, sind romantische Chalets und barocke Villen. Dabei geht es auch ganz anders: Modernes Wohnen hat Konjunktur!

Inhaltsverzeichnis
Eine Hommage an das Alpenland
Auf den ersten Blick wirkt es, als sei ein Raumschiff zwischen den Satteldachhöfen im Bregenzerwald gelandet: Ein kantiger Quader aus Glas und Beton steht da auf der Wiese, der nichts hat von der Verspieltheit der traditionellen Bauweise, wie man sie eigentlich aus dem Alpenraum kennt. Doch wenn man hineingeht und sich das Haus von Paul Steurer, dem Hausherrn und zugleich Architekten, erklären lässt, begreift man: In seiner Offenheit und mit seinen raffiniert angelegten Sichtachsen ist der Bau eine Hommage an das Land und die Landschaft. Als „Felsschlucht“ beschreiben die Steurers diesen Flur mit seinen Sichtbetonwänden deshalb gern. Auf ideale Weise erfüllt er, was die vierköpfige Familie sich gewünscht hatte: „Wir wollten unser Haus reduziert, beim Material und in der Form. Und im Einklang mit der Natur.
In Einklang mit der Natur
Es ist ihnen vollends gelungen. Auf der Terrassenseite etwa hat die Familie die direkte Nähe zum grünen Hang: Die beiden Kinder müssen nur ein paar Schritte über die Terrasse – und stehen direkt auf einer Bergwiese, auf der im Sommer die Kühe grasen. „Und nach vorne raus nutzen wir mit den wandhohen Fenstern natürlich den Blick auf das Panorama aus.“ Und wenn die Familie an schönen Tagen die Natur nicht nur sehen, sondern auch riechen und hören will, öffnet sie nur die Terrassentür. Wasser plätschert aus einer Bergquelle direkt in einen Betontrog, Wiesenduft erfüllt die Räume, vor allem wenn der Bauer gerade gemäht hat. Selten spielen Natur und moderne Architektur so perfekt zusammen.
Das Buch zum Thema
J. Bertram & A. Haiden: "Wohnen in Österreich: Vom glamourösen Stadtpalais bis zum modernen Bergchalet", DVA 2014, Preis: 49,99 EuroDas Mekka der modernen Architektur
Das Haus der Steurers steht in Reuthe, einer 600-Seelen-Gemeinde im Bundesland Vorarlberg – und das hat in Österreich fast schon den Ruf eines Mekkas der modernen Architektur. Stardesigner wie der Schweizer Peter Zumthor haben dazu beigetragen, aber auch Lokalgrößen wie die Architekturbüros Cukrowicz Nachbaur oder Hermann Kaufmann – oder eben Newcomer wie Paul Steurer. Die Vorarlberg Tourismus GmbH jedenfalls ist so stolz darauf, dass sie eine App dazu entwickelt hat – und auf „Architektouren“ genannten Entdeckerrouten die besten Beispiele modernen Bauens im Ländle erschließt.
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Sowohl modern als auch traditionell
Ausgerechnet Österreich? Ja, ausgerechnet in Österreich hat moderne Architektur, und zwar auch im privaten Hausbau, Konjunktur. „Generell mögen es die Österreicher modern“, befand etwa das Marktforschungsinstitut Innofact auf Basis einer Umfrage im Juni 2014. Dabei gaben 37 Prozent der Befragten an, dass ihnen der moderne Einrichtungsstil am besten gefällt. Und dass ausgestopfte Tiere und Geweihe auf der Liste der „Deko-Todsünden“ mit großem Abstand ganz oben stehen.
Was nun nicht heißt, dass der klassische Landhaus- oder Chaletstil ausgedient hätte und dass Blumenbalkone und Holzschnitzereien verpönt wären. Unsere eigene Umfrage unter Maklern ergab vielmehr: Es ist ein Sowohl-als-auch. Eine Frage des Alters (Jüngere bevorzugen das Moderne, Ältere die Tradition), eine Frage des Standorts (in Kitzbühel zum Beispiel möchte man es gern weiter so, wie es immer war) – und nicht zuletzt eine Frage der Affinität zu den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz: Interessenten, denen das am Herzen liegt, präferieren zusammen mit der modernen Technik auch klar den modernen Stil.
Was nun nicht heißt, dass der klassische Landhaus- oder Chaletstil ausgedient hätte und dass Blumenbalkone und Holzschnitzereien verpönt wären. Unsere eigene Umfrage unter Maklern ergab vielmehr: Es ist ein Sowohl-als-auch. Eine Frage des Alters (Jüngere bevorzugen das Moderne, Ältere die Tradition), eine Frage des Standorts (in Kitzbühel zum Beispiel möchte man es gern weiter so, wie es immer war) – und nicht zuletzt eine Frage der Affinität zu den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz: Interessenten, denen das am Herzen liegt, präferieren zusammen mit der modernen Technik auch klar den modernen Stil.
Ein Pionierprojekt
Wie das Zusammengehen beider Erfolg zeitigt, hat ein Pionierprojekt der Hotelarchitektur beeindruckend demonstriert: Mit den wie Tannenzapfen in den Himmel ragenden Wohntürmen „edel“ und „weiss“ am Kärntner Katschberg, entworfen vom Südtiroler Stararchitekten Matteo Thun, eröffnete die Falkensteiner Michaeler Tourism Group vor fünf Jahren eine Immobilie, die nicht nur optisch, sondern auch in Sachen Nachhaltigkeit Maßstäbe setzte. Sie wurde als „Klimahaus A“ zertifiziert – das heißt, ihr Heizwärmebedarf liegt unter 30 kWh/m2 im Jahr. Ein Argument, das dem Verkauf der Apartments in den Türmen (zur Eigennutzung und/oder Weitervermietung), so die FMTG, von Beginn an förderlich war.
Erneuerbare Energien und Modernität
Solches Denken hat längst Schule gemacht in Österreich: „Das Heranziehen erneuerbarer Energien“, so Manfred Egger von der Egger Bau und Projekt GmbH in Zell am See, „ist heute ein schlagendes Kaufargument.“ Und dass eine energetisch möglichst weiße Weste heute erwartet wird, zeigen Anlagen wie der Ferienpark Brandnertal in Vorarlberg oder das Apartmenthotel Sonnenalpe im Salzburger Land: Bei beiden wird in den Broschüren ausführlich darauf verwiesen, dass mit Erdwärme und/oder Solarthermie geheizt wird. Und dass – ein Argument auch fürs Portemonnaie – die Energiekosten um 60 Prozent niedriger liegen als bei einer herkömmlichen Energieversorgung.
Doch noch einmal zurück zu Design und Architektur. Dass auch in einer verspielten urbanen Umgebung wie derjenigen der Mozartstadt Modernität möglich ist, beweist ein Projekt in Salzburg : Inmitten der teils jahrhundertealten Wohn- und Geschäftshausbebauung am Fuße des Kapuzinerbergs soll ein Gebäudekomplex errichtet werden, der auf einer ebenso klaren wie einfachen Formensprache basiert. Der Baukörper besteht aus ineinandergeschobenen Blöcken, die geschickt nicht nur zwischen Schwere und Leichtigkeit, zwischen geschlossenen und offenen Flächen spielen, sondern auch mit dem Kontrast zur umgebenden Bestandsbebauung. 28 Wohnungen und vier Büroeinheiten finden hier Platz. Unter einem Dach übrigens, das grün bepflanzt werden soll.
Doch noch einmal zurück zu Design und Architektur. Dass auch in einer verspielten urbanen Umgebung wie derjenigen der Mozartstadt Modernität möglich ist, beweist ein Projekt in Salzburg : Inmitten der teils jahrhundertealten Wohn- und Geschäftshausbebauung am Fuße des Kapuzinerbergs soll ein Gebäudekomplex errichtet werden, der auf einer ebenso klaren wie einfachen Formensprache basiert. Der Baukörper besteht aus ineinandergeschobenen Blöcken, die geschickt nicht nur zwischen Schwere und Leichtigkeit, zwischen geschlossenen und offenen Flächen spielen, sondern auch mit dem Kontrast zur umgebenden Bestandsbebauung. 28 Wohnungen und vier Büroeinheiten finden hier Platz. Unter einem Dach übrigens, das grün bepflanzt werden soll.
Wohnungen für den Zweitwohnsitz
Ein anderes Salzburger Projekt, das Referenzcharakter haben dürfte, liegt außerhalb – wenn auch nur einen Kilometer entfernt. Nahe genug dran, um das schon im Projektnamen „The View2 – Wohnen über Salzburg“ gegebene Versprechen einlösen zu können: Der Wohnpark liegt am Fuß des 1.287 Meter hohen Gaisbergs – und hoch genug, um den Blick auf die Altstadtsilhouette mit Festung, Kapuzinerberg und Domtürmen zu erlauben. Soeben, im Herbst 2014, erfolgte der erste Spatenstich: 53 Wohneinheiten sollen entstehen – die einzigen übrigens im näheren Salzburger Stadtbereich, die über eine „Zweitwohnsitzwidmung“ verfügen. Will sagen: Deutsche Käufer dürfen sie legal als Ferienwohnung nutzen, ein Privileg, das es in vielen anderen österreichischen Urlaubsgebieten nicht (mehr) gibt.

Die Apartments in den Türmen können als "serviced residences" vom Hotel vermietet werden Quelle: Falkensteiner Michaeler TG
Vielfältiger Immobilienmarkt
Bemerkenswert ist aber auch das architektonische Konzept: Eine „kleingliedrige und modern interpretierte dörfliche Struktur“, so der federführende Architekt Ludwig Kofler, soll hier verwirklicht werden, zu „leistbaren Preisen“ (ab 3.550 bis 6.000 Euro/m2), in ökologisch korrekter Ausführung (Erdwärme, Solarenergie, dreifach verglaste Fenster, hoch wärmedämmende Gebäudehüllen etc.) und, so viel Traditionalismus muss dann doch wieder sein, „orientiert am Thema Mozart“. Das heißt: „Don Giovanni“ oder „Papagena“ wird die Villa heißen, die man bewohnt. Ein Schelm, der sich fragt, was das mit der kubistisch klaren und so ganz und gar nicht mozartesken Architektur der Villen zu tun hat. Es ist wohl, wie schon erwähnt, die Suche nach dem „Sowohl-als-auch“.
Aber warum auch nicht! Dass Vielfalt die Stärke des österreichischen Häusermarkts ist, zeigt schließlich ein empfehlenswerter, gerade erschienener Bildband: Jörg Bertrams „Wohnen in Österreich“. Er versammelt 18 Beispiele beeindruckender Architekturen, von der Designervilla am Wörthersee bis zum rustikalen Chalet, das hinter Lärchenholzwänden mit Wannen von Philippe Starck und Stühlen von Charles Eames bestückt ist. Sowohl eben – als auch.
