Immobilien-Marktreport München 2019: Erste Wolken
Längere Vermarktungszeiten, höhere Preissensibilität, geringere Dynamik – offenbar ist München auf dem Weg zur Normalität


Gespaltene Meinungen
Auf einen Nenner kommen die Immobilienmakler in München derzeit nur selten. War man sich in der Vergangenheit oftmals weitgehend einig, was eine mögliche Marktentwicklung angeht, gehen die Einschätzungen dieser Tage doch mitunter sehr unterschiedliche Wege. Differenziert, könnte man sagen. So differenziert, wie sich auch der Immobilienmarkt an der Isar selbst präsentiert. Und da wahrscheinlich kein Marktteilnehmer die Zukunft wirklich voraussehen kann, gilt es aktuell, Tendenzen aufzuzeigen oder Erfahrungswerte zu analysieren.

Rückläufige Zahlen auf Teilmärkten - Run auf die Innenstadt
Bereits vor zwei Jahren erklärte an gleicher Stelle Villenbauer Friedrich Xeller, dass er die aktuelle Situation mit der nach den Olympischen Spielen 1972 in München vergleichen würde. Damals seien die Preise im Vorwege explodiert. Im Anschluss an die Spiele herrschte erst Stillstand im Markt, bevor es eine Zeit lang bergab ging. Der nicht unerhebliche Unterschied waren seinerzeit die Zinsen, die steil in Richtung zehn, elf Prozent stiegen und nicht gen null tendierten wie aktuell.
Und Xeller nennt noch einen weiteren Unterschied: „Das vererbte Geld, das heute im Markt unterwegs ist, wurde damals gerade erarbeitet.“ Womöglich sind das die entscheidenden Punkte, die München vor einer erneuten Baisse bewahren. In Sachen Immobilien spielen Zinsen und Geld eine nicht unerhebliche Rolle.
Soweit der Exkurs in die Vergangenheit. Doch wie präsentiert sich die jetzige Situation?
Einige Fakten vorab: Der Gutachterausschuss verzeichnete für das abgelaufene Jahr 880 Beurkundungen für Immobilien mit Kaufpreisen über eine Million Euro. Das bedeutete gegenüber 2017 einen Rückgang von fast 19 Prozent. Insgesamt lag die Anzahl der beurkundeten Immobiliengeschäfte mit rund 11.700 registrierten Transaktionen etwa zwei Prozent unter dem Vorjahresniveau.Dabei wurden tatsächlich auf allen Teilmärkten rückläufige Zahlen festgestellt.
Und nach einer Analyse von Immobilienscout stiegen die Angebotspreise für Bestandswohnungen seit 2009 um 117 Prozent, die Mieten im gleichen Zeitraum jedoch nur um 46 Prozent. Keine wirklich guten Zahlen für Renditejäger.
Trotzdem ist der Münchner Markt keinesfalls auf dem absteigenden Ast. Er konsolidiert sich – insgesamt langsam. In einigen Stadtteilen etwas schneller, in anderen dafür noch gar nicht. Gleiches gilt für die einzelnen Segmente im Wohnbereich: So geht der Run auf „bezahlbare“ Objekte im Innenstadtgebiet unverändert weiter.
Allerdings sucht man Immobilien zwischen 500.000 und einer Million Euro meist vergeblich. Dagegen läuft es zum Beispiel bei hochwertigen Neubauwohnungen derzeit eher schleppend. Wie bereits erwähnt, man muss das Ganze differenziert betrachten.

Günstig gibt's nicht mehr
Sicher bestätigen Ausnahmen die Regel, aber günstige Lagen muss man im Münchner Stadtgebiet mit der Lupe suchen

Das Interesse reißt nicht ab
Punkt Nachfrage: Hier herrscht doch weitgehend Einigkeit, denn das grundsätzliche Interesse an Immobilien in München reißt nicht ab. Zu groß ist der Druck von Zuzüglern und oftmals auch internationalen Interessenten, zu stark ist die Anziehungskraft der Stadt mit ihrem breiten Arbeitsplatzangebot und ihrer weiterhin hohen Lebensqualität.
Allerdings machen die wenigsten Makler einen Hehl daraus, dass immer weniger Kunden bereit sind, die aufgerufenen Preise mitzugehen. Viele können es nicht, andere könnten es, wollen es aber nicht. So findet man Neubau-Quadratmeter im Stadtgebiet schon länger nicht mehr unter 6.000 Euro. Und selbst in mittleren Lagen sind 10.000 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr.
Im Sog der Preissteigerungen des Neubaus hat sich auch der Bestand sukzessive verteuert. Für gute bis sehr gute Lagen hat sich eine Preisuntergrenze von 8.000 Euro pro Quadratmeter bereits etabliert. Hierzu fallen in unserer Interviewrunde auch deutliche Kommentare wie „Mit einem Verdienst unter 6.000 oder 7.000 Euro netto im Monat kann man sich München nicht mehr leisten.“
Oder „die Leistungsfähigkeit selbst der Interessenten mit geerbtem Geld erreicht nun ihre Grenzen“. Deutliche Worte, die es so bislang aus München nicht zu hören gab.

Demut statt Hochmut
Hinzu kommt auch die Instanz der Banken. Des Öfteren ist nicht die Objektsuche das Hauptproblem, sondern die Finanzierung. Dabei geht es weniger um die deutlich höhere Tilgungsrate, die inzwischen von den Banken vorausgesetzt wird, sondern darum, dass die Kreditinstitute in ihrer Bewertung zum Teil deutlich unter den aufgerufenen Verkaufspreisen bleiben und die Käufer so eine größere Lücke mit Eigenkapital füllen müssen.
Die Folgen sind bei dem Punkt Vermarktungszeit klar zu erkennen. Waren noch vor einigen Jahren vier bis sechs Wochen Vermarktungszeit die Regel, sehen sich die Makler aktuell mit vier bis sechs Monaten konfrontiert. Kein Grund, ins Jammern zu geraten, aber doch ungewohnt für die erfolgsverwöhnten Protagonisten an der Isar. Die Zeit, in denen jedes Objekt zwei oder drei Kunden angezogen hat, die sich idealerweise auch noch hoch boten, ist offensichtlich vorbei – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel. Allgemein gilt nun wohl die Devise: Demut statt Hochmut.

Der Markt normalisiert sich
Denn mittlerweile sind die Käufer insbesondere im Spitzensegment deutlich kritischer und sensibler geworden. Kein Wunder, angesichts der immens gestiegenen Kaufpreise. Immer seltener sei man zu Kompromissen bereit, heißt es. Und man schaue viel mehr auf Lagen oder den Zustand der Immobilie – etwas, das man aus München gar nicht mehr kenne.
Im Klartext bedeutet das, der Markt ist auf dem Weg, sich zu normalisieren – soweit man an der Isar von so etwas überhaupt sprechen kann. Zudem besteht nun die berechtigte Hoffnung, dass es wieder auf Qualität und Werthaltigkeit ankommt und die Zeiten von „Panik als Kaufberater“ vorbei sind.

Es stagniert nur der Markt der "Verrückten"
Es sei immer noch reichlich Bewegung im Markt, nur werde eben nicht mehr so schnell verkauft, berichten mehrere Makler. Für den Markt selbst kann das eigentlich nur gut sein. Oder wie drückte es ein Experte aus? „Stagnieren wird der Markt der Verrückten. Eigentümer, denen ein Gewinn von 200 Prozent in 20 Jahren nicht reicht, und Verkäufer, die für jedes noch so rotte Objekt 10.000 Euro plus pro Quadratmeter verlangt haben. Die haben die Preise explodieren lassen.“
So, wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit, machen viele Marktteilnehmer ihrem Herzen Luft. Allerdings gibt es durchaus auch Experten, die davon ausgehen, dass die Preise weiter steigen werden. Einige gehen sogar davon aus, dass es in ein paar Jahren kaum einen Stadtteil mehr geben wird, in dem man unter 10.000 Euro pro Quadratmeter erwerben kann.
Darüber hinaus würden die Zinsen nicht weiter steigen, solange die Inflationsrate unter zwei Prozent bleibe, wird gesagt. Und davon hänge nahezu alles ab. Auf der anderen Seite zahlen offensichtlich vermehrt Kunden „bar“, ohne auf Finanzierung oder Zinsen Rücksicht nehmen zu müssen. Auch hier präsentiert sich der Markt eben sehr differenziert.

Fazit: Die Dichte wird zum Problem
Was bleibt, ist der Blick auf die kleinen Randaspekte, auf Punkte, die für den Markt dennoch erheblich sind. Allen voran die Einmischung der Politik. So sorgen das bevorstehende Bestellerprinzip, die Mietpreisbremse oder die Ausweitung der sozialen Erhaltungsgebiete für nicht unerhebliche Verunsicherung – gerade bei den privaten Kapitalanlegern.
Ein anderer Punkt, den überraschend viele Makler in der Interviewrunde ansprachen, ist die in den vergangenen Jahren abnehmende Lebensqualität, die vor allem auf die Verkehrssituation sowie die Bebauungsdichte zurückzuführen ist. Es ist keine Seltenheit, dass man inzwischen anderthalb bis zwei Stunden braucht, um durch die Stadt zu kommen. Und mit dem neuen Zubringer, der Autobahn A 94 aus Richtung Osten, wird sich das sicher nicht verbessern, eher im Gegenteil.
„Im Zuge der massiven Bauinitiative hat die Stadt die Infrastruktur komplett vergessen“, beklagt sich ein Experte. Die Dichte werde langsam zum echten Problem. Die Stadt biete kaum noch Bewegungsfreiheit, meint er. Und wie schon gesagt, steht er mit dieser Einschätzung nicht allein. Für München selbst ist das sicher nicht von Vorteil, doch an dieser Stelle kommen die Makler dann doch weitgehend auf einen Nenner.