Immobilien-Marktreport München 2018: Vorm Abflug
München hat unbestritten seine Qualitäten, doch langsam bekommt die heile Welt Risse. Zu heftige Preisanstiege und fehlendes Angebot treiben immer mehr Suchende aus der Stadt. Die Isarmetropole steht offenbar am Scheideweg


Demonstration in München gegen den Preisanstieg
München ist die Spitze des deutschen Immobilienmarktes – so viel steht zweifelsohne fest. Nicht nur, was Mieten und Kaufpreise angeht, auch was die Nachfrage betrifft und nicht zuletzt in puncto Attraktivität bei Themen wie Freizeit, Arbeit, Kaufkraft und, und, und …
München ist allerdings auch die erste deutsche Großstadt, in der die Menschen auf die Straße gehen und ihrem Unmut über die Preisentwicklungen der vergangenen Jahre Luft machen. Laut Polizeiberichten waren es im Juli über 25.000 Menschen und über 10.000 im September. Ob das Demo-Motto „Ausspekuliert“ wirklich korrekt gewählt war, sei dahingestellt.
Denn die extremen Preisanstiege sind sicher nicht nur den angeprangerten Spekulanten anzulasten. Es sei denn, man zählt die Stadt München mit dazu. Doch dazu später mehr.

Die Immobilienpreise in München steigen und steigen
Fakt ist, bei den (noch) fröhlich und friedlich demonstrierenden Einwohnern handelt es sich nicht um rechte oder linke Randgruppen oder den viel zitierten Mob. Hier ist vor allem die Mittelschicht unterwegs, denn selbst die kann sich München vermehrt nicht mehr leisten.
Dass die Preisrallye, die nun die Bürger auf die Straße treibt, deutschlandweit ihresgleichen sucht, im internationalen Vergleich jedoch absolut normal ist, sollte dabei allerdings auch nicht vergessen werden.
So stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits zu Beginn des Jahres fest: „Nach von der kanadischen Rating-Agentur DBRS veröffentlichten Daten sind die Hauspreise in Deutschland zwischen Anfang 2011 und September 2017 um 29 Prozent gestiegen. Unter 15 ausgewählten EU-Ländern ist das die Position vier.
Allerdings liegen die Preissteigerungen in Deutschland noch verhältnismäßig nahe am Mittelwert von 17 Prozent. Dagegen müssen Schweden und Norweger deutlich mehr als 50 bzw. 40 Prozent tiefer in die Tasche greifen als noch Anfang 2011. Auch die österreichischen Nachbarn hat es härter getroffen.“
Das gilt nicht nur für den gesamtdeutschen Durchschnitt, auch im internationalen Vergleich ist München kein Ausreißer nach oben. In einer aktuellen Statistik zu Wohnkosten liegt München unter 59 untersuchten Städten gerade einmal auf Platz zwölf.
Dennoch befindet sich die Isarmetropole ganz offensichtlich an einem Scheideweg. Während immer mehr internationales und geerbtes Kapital in die Stadt kommt, ebbt auch die Nachfrage „normaler“ Kunden nicht ab.
Im Gegenteil, die Isarmetropole platzt aus allen Nähten, und die Preise werden zumindest in Citylagen nicht sinken. In guten Lagen muss man selbst für Bestandsimmobilien mitunter 10.000 Euro pro Quadratmeter einkalkulieren.
Und ein Quadratmeter Neubau ist münchenweit kaum unter 6.000 Euro zu bekommen. Selbst einfachste Lagen – und die gibt es im Stadtgebiet kaum noch – sind vom Neubauboom betroffen und werden nachgefragt.
Auch Familien können sich München nicht mehr leisten
Unterteilt man die bayerische Landeshauptstadt in verschiedene Kreise, ergibt sich ein abstruses Bild. Innerhalb des Altstadtrings kann sich die so oft herangezogene „Lieschen Müller“ schon lange keine Immobilie mehr leisten. Und selbst für gut situierte Doppelverdiener sind die hier aufgerufenen Kaufpreise praktisch nicht mehr darstellbar.
Von Familien ganz zu schweigen. Zumindest nicht, wenn kein – wie es ein Experte einmal so nett ausdrückte – „drittes Geld“ mit im Spiel ist. Die Rede ist von geerbtem Kapital. Bei aktuellen Bodenrichtwerten von 4.000 bis 5.000 Euro pro Quadratmeter in Nymphenburg/Gern oder Bogenhausen ist dies kein Wunder.
Selbst innerhalb des Mittleren Rings sind 10.000 Euro pro Quadratmeter schon fast die Regel geworden. Auch hier kommen viele Suchkunden an ihre finanziellen Grenzen, und – das sei an dieser Stelle als Seitenhieb gestattet – wirklich spektakuläre Architektur erhalten sie für die sehr hohen Preise leider nur zu selten.
Fast 100 % in acht Jahren
1997 lag der Kaufpreis für Neubau-ETW pro Quadratmeter im Schnitt bei umgerechnet 3.475 Euro, 2009 bei 3.750 Euro. 2017 waren es 7.400 Euro
Auch Münchens Randlagen sind teuer
Seit einiger Zeit sind Münchens Randlagen und neuerdings auch der Speckgürtel verstärkt in den Fokus gerückt. Schnäppchen bekommt man hier sicher auch nicht, aber der Immobilienkauf wird vor allem für Familien in diesen Lagen darstellbarer – im Übrigen wohl das Wort dieser Münchenrunde.
Wie eingangs bereits erwähnt, sind die Gründe für die galoppierenden Kaufpreise vielschichtig und zum Teil sogar hausgemacht. Zuallererst muss hier die seit Jahren anhaltende Niedrigstzinsphase genannt werden. Sie hat den Weg für den Immobilienboom geebnet. Doch auch die Stadt München hat ihren Anteil an der „Schuld“.
Nicht nur dass seit Jahren für den immensen Zuzug deutlich zu wenige Wohnungen genehmigt und gebaut werden, die eigenen Grundstücke wurden in der Vergangenheit zumeist höchstbietend verkauft, anstatt sie an Investoren mit guten und schlüssigen Konzepten zu veräußern – und das dann vielleicht auch etwas günstiger.
So würde man womöglich nicht 8.000 Euro pro Quadratmeter bei anonymen Bauklötzen in Münchner Randlagen aufrufen müssen. Zudem sollte die Stadt auch dafür sorgen, dass der dringend benötigte bezahlbare Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.
Dafür sollte sie die eigenen Wohnungsbaugesellschaften stärker in die Verantwortung nehmen. Mieten von maximal zehn Euro pro Quadratmeter lassen sich mit frei finanziertem Wohnraum nur schwer realisieren.

Überteuerte Grundstücke in Bogenhausen und Grünwald
Selbstverständlich sind auch die privaten Grundstücksverkäufer in der Verantwortung. Den Spruch „Gier frisst Gehirn“ dürfen sich viele Erbengemeinschaften und Grundstücksspekulanten ans Revers heften. Nicht selten platzen Notartermine kurz vor der Unterschrift, weil doch noch jemand telefonisch ein höheres Angebot abgegeben hat.
Bleibt zu hoffen, dass solche Auswüchse angesichts des sich derzeit doch etwas beruhigenden Marktes künftig die Ausnahme bleiben. Die aktuelle Situation zeigt, dass viele überteuerte Grundstücke vor allem in Spitzenlagen wie Bogenhausen oder Grünwald durchaus längere Vermarktungszeiten aufweisen.
Auch die explodierenden Baukosten tragen ihren Teil zur Preisrallye bei. Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich sind seit Jahren an der Tagesordnung – auch dank immer neuer Energievorschriften. Inwieweit stetig verschärfte Auflagen auch hinsichtlich einer späteren Entsorgung von Styroporfassaden & Co. im Falle eines Abrisses noch Sinn machen, muss an anderer Stelle erörtert werden. Ein Kostentreiber sind sie allemal.
Ebenso vielschichtig sind die Folgen des Preisruns. Auffällig ist, dass eine steigende Anzahl der Suchenden der Stadt den Rücken kehrt. Wenn nicht einmal eine Reduzierung von Wohnfläche oder die Objektart dazu führt, dass man sich München leisten kann, bleibt oft nur der Weg nach draußen.
Das kann dann entweder eine bislang eher unterbewertete Randlage sein oder der Schritt ins Umland. Gerade für Familien ist das nicht selten die Ultima Ratio.

Alternativen bei den Standorten in München
Im Übrigen haben die gestiegenen Preise in der City sogar positive Folgen. Auch wenn es nahezu verwerflich klingt, es gibt durchaus Profiteure der Rallye. Selbst früher wenig gefragte Lagen wie Milbertshofen-Am Hart, Pasing oder Ramersdorf haben in den vergangenen Jahren eine rege Nachfrage zu verzeichnen und sich dabei zum Teil extrem positiv entwickelt. Und Standorte wie Giesing, Sendling oder Berg am Laim sind auf dem besten Wege, sich zu den neuen Au-Haidhausens und Glockenbachs zu entwickeln.
Sicher könnte man jetzt auch hier die Keule namens Gentrifizierung herausholen und wild um sich schlagen. Sinnvoll wäre das jedoch nicht. Einige Marktteilnehmer tragen dieser Progression mit neuen Projekten bereits Rechnung und haben sich auf die Fahne geschrieben, so genannte B-Lagen mit smarten und gefragten Konzepten zu A-Lagen zu entwickeln.
Fazit: München ist im Umbruch
Vorbei die Zeiten von Friede, Freude, Kaiserschmarren – die Stadt sieht sich im Immobilienmarkt mit echten Problemen konfrontiert. Demonstrierende Einwohner sind ein eindeutiges Zeichen. Wenn nun sogar diejenigen, die sich die Münchner Preise noch leisten könnten, nicht mehr bereit sind, diese zu bezahlen, steht wohl fest: So kann es nicht mehr weitergehen.