Foto: Franz-Marc Frei
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Auch wenn es in der aktuellen ­Situation fast unmöglich scheint, beginnen wir den Umlandreport doch einfach ganz unemotional mit einigen interessanten Zahlen. So präsentierte der "Obere Gutachterausschuss Bayern" im Sommer seine Auswertungen für 2017 mit dem Fazit, dass es zwischen 2011 und 2017 in nahezu allen Regionen Bayerns Preisanstiege gegeben hat – selbst in strukturschwächeren Gebieten.

Umgesetzt wurden dabei fast 49 Milliarden Euro, was etwa einem Fünftel des gesamtdeutschen Immobilienumsatzes entsprach. Selbstverständlich machte München, wie immer, einen Löwenanteil hierbei aus, doch vergleicht man die genannte Zahl von 49 Milliarden mit den 36 Milliarden Umsatz von 2014, ist die Rasanz des bayerischen Immobilienmarktes in Gänze zu erkennen.

Und auch für 2018 ist mit einer Steigerung zu rechnen, wenn man die Zahlen des IVD Süd zu Rate zieht. Dort werden für das erste Halbjahr 26,6 Milliarden Euro Umsatz konstatiert, wo es im gleichen Zeitraum 2017 gerade einmal 26 Milliarden Euro waren.

Bei seiner Vorstellung der Zahlen lieferte der Gutachterausschuss allerdings auch gleich ein paar Kauftipps: Während im Landkreis München die Preise weiter stiegen, sei es in drei anderen Landkreisen noch relativ erschwinglich, Immobilien zu erwerben: Freising, Erding und Landsberg wurden hier genannt.

So koste ein neues Ein- oder Zweifamilienhaus im Landkreis Freising nur etwa halb so viel wie im „benachbarten“ München.  So weit zu den harten Fakten der vergangenen Monate. Gegenwart und Zukunft sehen allerdings nicht wesentlich vielversprechender aus, wenn man nach den Einschätzungen der Umlandsexperten geht.

„Der Münchner Südosten bis Chiemsee ist durch den hohen Freizeitwert immer gefragter – gerade Lagen mit guter Pendlerqualität.“

Alexander Hoh

Chiemgau Residenzen

„Die Anbindung ist im Umland essenziell, aber zunehmend wichtiger werden Mikrolage und eine perfekte Infrastruktur vor Ort.“

Andrea Sindilar

Andrea Sindilar Immobilien

„Alle Lagen im Münchner S-Bahn-Bereich haben preislich zugelegt. Viele orientieren sich Richtung Augsburg und Ingolstadt.“

Manuela Rathberger

Grafenburg Immobilien

„Naturschönheit, ein begrenzter Markt, sehr gute Infrastruktur und hohe Sicherheit sind Garanten für Wertstabilität und Preissteigerung.“

Jörg Zimmermann

Zimmermann Immobilien

„Wir stellen keine Überhitzung des Marktes fest. Eine nach­haltige Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot.“

Rainer Leidecker

Tegernseer Grund Immobilien

„Die Metropolregion München verlagert sich immer weiter ins Umland. Dies hat zur Folge, dass auch hier die Preise ansteigen.“

Marcus Widrich

S-ImmobilienService München

„Im Raum Tegernsee/Bad Tölz haben wir weiterhin ein hohes stabiles Preisniveau und eine starke Nachfrage – gerade bei Häusern.“

Kerstin von Holdt

VON POLL IMMOBILIEN Tegernsee

„Münchens Umland wird auch deswegen immer beliebter, weil vermehrt Firmen hierher ziehen. Da entfällt das lästige Pendeln.“

Tina Aigner

Aigner Immobilien

„Auch im Umland dreht sich die Preisschraube nach oben, da die Nachfrage auch seitens Münchner Kunden immer größer wird.“

André Schnitzke

Duken & v. Wangenheim

„Wenn Preis und Leistung stimmen, spielt es für einige Kunden keine Rolle, welcher See es ist. Es zählt die Nähe zum Wasser.“

Holger Baete

Engel & Völkers Starnberger Fünf-Seen-Land

„Wir erwarten für unsere Region weitere Preisanstiege, aber nicht mehr in den großen Schritten wie in den Jahren zuvor.“

Sabrina Spann

Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg

Abgesehen von der hohen Lebensqualität der Umlandgemeinden orientieren sich aus Kostengründen vermehrt Interessenten aus München in die Peripherie. Vor allem Familien haben immer öfter Schwierigkeiten, die Preisanstiege in der bayerischen Landeshauptstadt mitzugehen.

Vor diesem Hintergrund wundert es wenig, dass die prozentuale Steigerung im Umland in jüngster Vergangenheit oftmals sogar noch höher ausgefallen ist als in München selbst. Das gilt insbesondere für die Umlandstädte und -gemeinden, die über eine gute Infrastruktur verfügen oder eine möglichst gute Anbindung über Straße oder Schiene an München bieten – im Optimalfall sogar beides. Dass die Immobilienpreise dann inzwischen schon fast oder komplett Münchner Niveau erreicht haben, versteht sich von selbst. Aber andere ziehen unaufhaltsam nach.

Beispiel Münchner Westen: Das nahe Würmtal oder auch der beliebte Wörthsee – hier ist die Preisspirale längst auf städtischem Niveau angekommen. Freizeitwert trifft Wohnwert, könnte man sagen. Die fast ländliche Atmosphäre mit bester Anbindung hat schon seit Jahren ihren Preis.

In Gräfelfing beispielsweise sind frei stehende Einfamilienhäuser praktisch nicht auf dem Markt – und wenn, sind sie kaum unter ­einer Million Euro zu bekommen. Wirklich viel günstiger wird es erst in ländlichen Bereichen Richtung Fürstenfeldbruck.

Überall gefragte Lagen

Fahrtzeiten von einer Stunde und mehr müssen Käufer auf sich nehmen, wenn sie signifikant günstigere Preise suchen

Beispiel Fünf-Seen-Land und Tegernsee: Hier geht es eigentlich weniger um günstige Wohnalternativen für Pendler als um das Thema „wohnen wollen“. Oder wie drückte es ein Experte aus: „Auch wenn es klingt wie ein Klischee, Wohnen am See ist der perfekte Mix aus Zuhause und Urlaub.“ Sicher gibt es auch in den Seeregionen nicht nur Luxusobjekte, doch die Nähe zum Wasser bedeutet grundsätzlich höhere Preise. Und wer dann noch den Seezugang sucht, muss sehr tief in die Tasche greifen – sei es nun an den Gestaden des Ammersees, des Starnberger Sees oder des Tegernsees.

In allen diesen Regionen kann man von wirklicher Normalität nicht sprechen. Nicht nur das Potential dieses Marktes sei gigantisch, heißt es, auch das Vermögen, das hier „unterwegs“ sei. Dennoch sieht keiner der befragten Experten eine Gefahr der Überhitzung – auch nicht in den beiden Topmärkten Starnberger See und Tegernsee.

Beispiel Münchner Osten: Dass sich der Suchradius der Immobilieninteressenten im Laufe der vergangenen Jahre deutlich erweitert hat, sieht man besonders stark im Osten der Isarstadt. Die Karawane der Kunden zieht von Trudering weiter in Richtung Haar, Vaterstetten, Zorneding, Ebersberg.

Alles, was im Bereich der S-Bahn liegt, wird unter die Lupe genommen. Sogar Wasserburg ist kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte – und da ist man bereits eine Auto- oder Bahnstunde von der Münchner City entfernt. Dennoch ziehen auch im östlichen Umland der Metropole die Preise unaufhörlich weiter an.

Foto: Franz-Marc Frei
Foto: Franz-Marc Frei

Beispiel Augsburg und Ingolstadt: Die beiden Städte im Norden und Nordwesten Münchens sind eindeutig Profiteure der Münchner Preisrallye. Zwar haben beide auch selbst einige Vorteile zu bieten, doch es ist die Anbindung, die sie für immer mehr Immobiliensuchende interessant macht.

Dabei spielt die Autobahn bei 70 (Augsburg) und 80 (Ingolstadt) Kilometer Entfernung gar keine so große Rolle. Denn mit dem ICE ist man von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof 40 (Ingolstadt) oder sogar nur 32 (Augsburg) Minuten unterwegs. In dieser Zeit ist man innerhalb Münchens mit U- und S-Bahn nicht einmal von Schwabing bis nach Solln gekommen.

Wer allerdings denkt, er würde in der Fugger- oder der Audi-Stadt noch echte Schnäppchen machen können, wird schon seit einiger Zeit eines Besseren belehrt. In der Spitze zahlt man auch in Ingolstadt mittlerweile Quadratmeterpreise über 5.000 Euro (Neubau). Allerdings werden auch Bestandsimmobilien unter 3.000 Euro/m2 angeboten. Davon hat man sich in Augsburg schon ein gutes Stück entfernt. Hier liegt die Spitze bereits jenseits der 8.000 Euro/m2, Tendenz in beiden Fällen steigend.

Allerdings findet man in Augsburg und Ingolstadt noch „bezahlbare“ Einfamilienhäuser, die selbst in Spitzenlagen in der Regel noch unter einer Million Euro zu finden sind. Also dort, wo in München der Markt gerade beginnt …

Ach ja, dass die Preise doch nicht überall steigen, weiß der "Obere Gutachterausschuss Bayern" auch zu berichten: So stellen die Landkreise Dachau und Rosenheim so etwas wie kleine gallische Dörfer im großrömischen Reich der steigenden Preise dar. In den beiden genannten Landkreisen seien die Preise (inflationsbereinigt) sogar leicht zurückgegangen, heißt es.

Redakteur Sven Heinen

Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040