Der große Sitzungsraum der Flensburger Silbermanu­faktur Robbe & Berking liegt im Halbdunkel. Aus beleuchteten Vitrinen an den Wänden ringsum funkeln kunstvoll drapierte Bestecke und andere Schätze. Darunter sind Serien wie „Dante“ oder Klassiker wie „Französisch Perl“ und „Hermitage“ sowie das Modell „Spaten“, einer der ältesten und berühmtesten Entwürfe des Hauses. Von kühler Schlichtheit sind dagegen die Besteckserien „Alta“ oder „Sphinx“, Bestseller des Hamburger Designers und Silberschmieds Wilfried Moll; sie finden sich als Klassiker bereits im New Yorker Museum of Modern Art. Dazwischen stehen edle Tafelgeräte, etwa die „Étagere“ zur Auftürmung süßer Köstlichkeiten oder die gebogenen Silber­karaffen in Form eines ruhenden Pinguins von Lasse Baehring.
  • Das Menübesteck „Hermitage“ ist ebenso ein Klassiker ... Quelle: Robbe & Berking
    Robbe & Berking: Menübesteck Hermitage
  • ... wie das Tafelsilber der Serie „Alta“. Quelle: Robbe & Berking
    Robbe & Berking: Tafelsiber Alta
  • In der Flensburger Manufaktur wird Handarbeit groß geschrieben Quelle: Robbe & Berking
    Robbe & Berking: Handarbeit
  • Die Gründerväter Robert Berking (l.) und Nicolaus Robbe (r.) Quelle: Robbe & Berking
    Robbe & Berking: Gründerväter
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141jährige Tradition

Willkommen im Epizentrum von Deutschlands erster Silberschmiede. In diesem einzigen Raum ballt sich das Selbstverständnis des 141 Jahre alten Unternehmens, das sich seit der Gründung im Jahr 1874 auf seine handwerkliche Brillanz und die Qualität seiner Produkte beruft. Hier wird sicht- und spürbar, was bereits der Gründervater Nicolaus Christoph Robbe (1843–1916) als Leitsatz formulierte: „Andere mögen es billiger machen, aber niemand darf besser sein als wir.“

Seit exakt dreißig Jahren führt sein Ururenkel Oliver Berking, 52, die Familientradition fort. Ich will hinter das Erfolgsgeheimnis dieses Unternehmers blicken, der fast 200 Mitarbeiter ausschließlich am teuren Produktionsstandort Flensburg, Zur ­Bleiche 47, ­beschäftigt. Denn das Festhalten an Werten wie Qualität und ­Handwerk im Sinne der Ahnen allein reicht in schnelllebigen, ­übersättigten Märkten nicht mehr aus, um sich als Premium-­Marke der Tischkultur zu behaupten. Warum also wählen ­Königshäuser und Botschafter, Scheichs und Oligarchen sowie die meisten der über 200 Großyacht-Besitzer eine der 30 Besteckserien von ­Berking, um ihre Gäste stilvoll zu bewirten? Ganz zu schweigen von zahlreichen Sterne-Restaurants rund um den Globus?

Die Welt als Marktplatz

Auftritt Oliver Berking. Er ist groß und kräftig gebaut, hat ein offenes, großflächiges Gesicht. Seine Augen hinter der Brille blicken freundlich, dabei mit abwartender Skepsis. „Ich komme gerade aus München, wir haben gestern Abend im Oberpollinger unseren silbernen Bechstein-Flügel präsentiert“, entschuldigt er seine leichte Verspätung, bevor er am Ende des langen Tisches Platz nimmt. Die lange Nacht steht ihm noch etwas ins Gesicht geschrieben. Der „silberne Flügel“, entstanden in Kooperation mit der Piano­fabrik Carl Bechstein, sei ein Herzensprojekt beider Häuser gewesen. „Er symbolisiert die Gemeinsamkeiten unserer Firmen: Beide sind Familienbetriebe mit Liebe zur Tradition und zum Handwerk. Und wir haben die Fähigkeit, Träume wahr zu machen.“

Damit wäre sein Erfolgsgeheimnis schon gelüftet. Oliver Berking sieht die Welt als Marktplatz seiner unternehmerischen Kreativität. Neben solventen Privathaushalten zählen gewerbliche Betriebe wie Hotels und Luxusrestaurants zu seinen Kunden. Und quasi als Kür und i-Tüpfelchen beliefert er die Elite der Superreichen mit handgefertigten Silberwaren. Für die Vermarktung luxuriöser Tischkultur braucht er große Bilder, Geschichten, glamouröse Events, die den Namen Robbe & Berking zu einem Begriff für die globalen Eliten von heute machen. Der Aga Khan und Boris Jelzin – Kunden von gestern. Heute sind es Figuren wie Roman Abramowitsch, die überzeugt werden müssen, für ein Besteckteil zwischen 70 und 190 Euro auszugeben.
Portrait Oliver Berking
Oliver Berking führt das Unternehmen in der 5. Generation Quelle: Kristina Steiner

Bechstein, Maybach, BMW

Teuerstes Produkt ist ein neunlichtiger Leuchter im Empire-Stil, zu haben für rund 30.000 Euro. Der versilberte Bechstein-Flügel, der jetzt mit der Musikerin Anna Depenbusch auf Tournee geht, dürfte das Marken-Image ebenso transportieren wie die Kooperation mit Maybach, deren Luxusgefährte Oliver Ber­king mit silbernen Champagnerkelchen ausstattet. Im Jahr 2010 präsentierte er mit Thomas Gottschalk den BMW 760 Li, bei dem Berking u. a. die Embleme auf der Motorhaube versilbert hatte.

Der Umgang mit den Großen der Welt hat abgefärbt. Oliver ­Berking parliert leichtfüßig, mit weltmännischer Eloquenz, durchweht von norddeutscher Bodenständigkeit. Er hat immer in Flensburg bleiben wollen, sagt er. Allein wegen der Nähe zum Meer, der Bindung an seine Familie und das Unternehmen. Hier führt er das Erbe seiner Vorväter fort, die schon eigene Legenden sind.

Eine Art Hausheiliger ist der erste Robert Berking, der einstige Schwiegersohn des Gründers Nicolaus Christoph Robbe, der im Alter von nur 36 Jahren in der Flensburger Förde ertrank. Bis heute gelten sein kreatives Talent und seine strategische Weitsicht als Startschuss für die Weltkarriere der Marke. Es folgten Theodor (1899–1964) und Robert Berking, der Vater von Oliver, der ­seinen Sohn vor dreißig Jahren, kurz nach dessen Betriebswirtschafts­studium, ins Unternehmen holte.
Robbe & Berking: Yachtbau
Zwei klassische 6-Meter-Yachten entstehen in der hauseigenen Werft Quelle: Robbe & Berking

Yachten als zweites Standbein

Beim Rundgang durch die Produktion – „hier bitte keine Fotos“ – sehen wir, wie jedes Besteckteil von Hand ausgestanzt, gefeilt und poliert wird. In der Gravur kommen die Wappen oder Schriftzüge auf das Silber, anschließend folgt die Endkontrolle, bevor sich das rote Samtsäckchen um das Besteckteil schließt und das gute Stück ins Lager wandert. In einer Vitrine liegen wie beiläufig die mit Namensschildern versehenen Muster für einige Königshäuser und den Aga Khan. Die Welt schrumpft zusammen in einer Werkstatt an der Waterkant.

Über Zahlen redet Oliver Berking nicht. Nur so viel: Die zweistelligen Umsatzeinbußen durch die Finanzkrise 2009 habe das ­Unternehmen gut verkraftet. Eines hat er daraus gelernt: Ein Standbein ist zu wenig für ein Weltunternehmen. Mit seiner Werft Robbe & Berking im Flensburger Hafen konzentriert sich der passionierte Segler daher seit 2009 auf den Bau klassischer Holzyachten. Er führt mich an acht 12-Meter-Schiffen vorbei, die in der großen Halle lagern. Im Mai folgt der Spatenstich zum Bau zweier weiterer Gebäude auf dem Gelände, die er, als Mix zwischen Museum und Showroom, zum „Europäischen Zentrum für Yachtsportgeschichte“ machen will. In Kürze geht auch eine 12-Meter-Yacht nach dem Entwurf des legendären norwegischen Architekten Johan Anker vom Stapel. Für Segel-Enthusiasten ein historisches Ereignis.

Oliver Berking streicht über den Mahagonirumpf und das Wappen aus Blattgold. „Dieser Neubau ist für die Norweger von so großer Bedeutung, dass uns ihr König Harald V. kurz nach der Kiellegung besucht hat“, sagt er. Da ist sie wieder, die große Welt – zu Gast in Flensburg.

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Dieser Artikel stammt aus dem BELLEVUE-Heft 03/2015.

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